Jutta Dornheim

Porträt von Jutta Dornheim
© Trish P. Schultz

Jutta Dornheim ist in Bremen habilitierte Kulturwissenschaftlerin; in Leipzig und Tübingen studierte sie Literaturwissenschaft, Linguistik und Empirische Kulturwissenschaft. Sie wurde in Weißenfels an der Saale geboren, lebt seit 1958 in der Bundesrepublik Deutschland, zuerst in Würzburg und Tübingen, seit 1987 in Bremen. Neben ihrer viel beachteten Ethnografie über ein Dorf auf der Schwäbischen Alb mit dem Titel Kranksein im dörflichen Alltag (1983) veröffentlichte sie zahlreiche satirische Texte, wissenschaftliche Aufsätze, die beiden Gedichtbände In sperriger Lebenswelt (Münster 2005) und Unsterblich sterblich (Münster 2006), den Erzählungsband Steine können rückwärts fliegen. Geschichten um Verhältnisse und Verhängnisse (Vechta-Langförden 2009), den Bremen-Roman Katzenmann, Roland, Faule Grete (Bremen, Boston 2011), die dokumentarisch-fiktionale Geschichte einer wehrhaften Wanderköchin mit dem Titel Fliegenpilz in Teufelstunke. Koch- und Überlebensrezepte der berüchtigten Wanderköchin Erna Sowéh (Bremen 2017) sowie zahlreiche kulturpoetische Essays.

Preise und Stipendien:
2006 Lyrik-Preis des Stadtverbandes Saarbrücken


Cover des Buches Fliegenpilz in Teufelstunke

Fliegenpilz in Teufelstunke

Roman, 2017
Edititon Falkenberg, Bremen, ISBN: 978-3-95494-137-7
128 Seiten, €14,90

Mit Illustrationen von Randi Grundke.
Das bitterarme, sächsische Tagelöhnermädchen Erna Sowéh, dem schon früh ein »schwacher Gobb«, aber ein »tapferes Herz« nachgesagt werden, geht mit vierzehn Jahren »auf die Walz«, um seinen Traum zu verwirklichen: Erna will Köchin werden.Sie erreicht ihr Ziel trotz unglaublicher Widrigkeiten. Überlebensstrategie ist ihre Fantasie: In ihren erdichteten »Küchenliedern« zieht sie Widerstand, Rache und Aufruhr praktizierend durch Mittel- und Norddeutschland. Jeweils passend fügt Erna ihren Küchenliedern Kochrezepte bei. Erzählt wird die Geschichte der wehrhaften Wander-Köchin von ihrer Urenkelin Sonja Sommerfeld, einer unter uns lebenden Lehrerin. Zuerst sehr ablehnend, versöhnt sich Sonja allmählich mit ihrer Vorfahrin. Sie recherchiert die sozialgeschichtlichen Umstände, die Erna Sowéhs Leben bestimmten, und stellt sie in einem Postskriptum als die Bedingungen eines in dörflichen Unterschichten verankerten Frauenlebens um 1900 exemplarisch dar.


Cover des Buches Katzenmann, Roland, Faule Grete

Katzenmann, Roland, Faule Grete

Bremen-Roman in Geschichten, 2011
Kellner-Verlag Bremen, Boston, ISBN: 978-3-939928-68-3
168 Seiten, €9,90

Mit einem Vorwort von Bürgermeister Jens Böhrnsen
Originalzeichnungen: Kunsthistoriker und Philosoph Norbert Schneider

Die Alltagsforscherin Hannah und ihre Freundin Iris erleben viele Bremer Orte anders, als allgemein bekannt. In 27, auch einzeln zu lesenden Geschichten begeistern sie sich für Gebäude und Plätze, Straßen und Steine, Wasser und Wege, Pflanzen und Tiere, Erwachsene und Kinder, Einheimische und Fremde. Dabei entdecken sie, dass diese Orte Identität vermitteln: mit Lebendigkeit oder tiefer Stille, mit Geräuschen, Gerüchen und Geschehnissen; probeweise, zeitweise oder dauerhaft. Diese Orte sind nicht immer touristische Attraktionen, aber sie sind authentisch und bremisch. Hannah und Iris weihen Leserinnen und Leser in die Geheimnisse dieses literarischen Bremen-Erlebens ein durch ihr intensives, neugierig-freches Aufspüren und Beobachten von nicht alltäglich Vertrautem.


Cover von Steine können rückwärts fliegen

Steine können rückwärts fliegen

Erzählband, 2009
Geest-Verlag, Vechta-Langförden, ISBN: 978-3-86685-177-1
170 Seiten, €16,80

Steine können rückwärts fliegen – dieser Titel erscheint auf den ersten Blick einfach, erst auf den zweiten offenbart er auch seinen Hintersinn. Ähnlich verhält es sich mit den hier versammelten Geschichten: Die Leserin/den Leser erwarten achtzehn spannungsgeladene, hintergründige Geschichten, die alle entscheidende biografische Momente entfalten, jene letzten Augenblicke, in denen sich entscheidet, ob die Akteure so oder so oder ganz anders handeln. Ob sie untergehen, scheitern, weiter dahintrudeln, sich behaupten oder Neues wagen. Doch ihre Entscheidungen hängen nicht von ihnen allein ab, die Autorin hält es in diesem Punkt mit dem großen B.B.: „Denn die Verhältnisse, sie sind nicht so.“ Letztere sind anwesend in Form von zeitgeschichtlich Markantem, das sich in fünf brisanten Gruppierungen präsentiert, so u.a. in den Themen ‚konspiratives studentisches Leben in der frühen DDR‘ (Kap. „Nachrichten aus Vineta“); machtgeprägte, spätindustrielle Arbeitsverhältnisse in der Bundesrepublik (Kap. „Arbeit, Liebe und Intrige“) und ‚Einbrüche, Zusammenbrüche und die Last neuer Lebensformen‘ (Kap. „Die moderne Zeit“). Auf diese Weise zeigt sich die unauflösliche Verwobenheit individueller Verhängnisse und objektiver Verhältnisse.


Cover des Buches Unsterblich sterblich

Unsterblich sterblich

Gedichte, 2006
Neues Literaturkontor, Münster, ISBN: 978-3920591827
96 Seiten, €10,00

Wie Poesie eine Verbindung mit philosophischem Denken eingehen kann, zeigt Jutta Dornheim in ihrem zweitem Gedichtband. Vom Sonett bis zum Aphoristischen reicht die Formenvielfalt, mit der die Autorin menschliche Erfahrungen und Begegnungen transzendiert. So wird das jeweils Geschehene, das Konkrete “nach-gesonnen und nach-gesponnen“, wie zum Beispiel mit Bezug auf Theodor W. Adorno: “ hier irrte der große A.: / das leben ist nicht beschädigt / jeder nachdenkversuch / vergeblich. / denn unauffindbar ist / worüber noch / nachzudenken wäre“. Neben der für Lyrik konstitutiven Beschäftigung mit dem Menschlichen und Erlebnishaften, neben sozial Einfühlsamem und politisch Unkorrektem findet sich bei Dornheim Historisches und Sagenhaftes, das schönsprachig neuen Zauber und Sinn erhält. „wo meer und land sich ineinander flüchten / da gleißt im morgenlicht der nonne diadem / so bräutlich hell und jungem blick genehm / es scheint gemacht aus stoff wie dem zum dichten“.


Cover des Buches In sperriger Lebenswelt

In sperriger Lebenswelt

Gedichte, 2005
Neues Literaturkontor, Münster, ISBN: 978-3920591780
96 Seiten, €8,00

Für Jutta Dornheim ist Lyrik eine von mehreren Arten der Beschäftigung mit Sprache, Kunst, Philosophie. Die Gedichte der gelernten Kulturwissenschaftlerin und Hölderlinbeeinflußten sind sowohl kunst- und naturlyrischer als auch politischer und zeitkritischer Art. – „Feine Pinkel // Blechzeuge-Blasen / Schmierseifen-Phrasen / veratmete Luft / geplättete Reifen / die Sagen, die Lügen / die Regenbogen / die Blaulicht pfeifen / die Regenpfeifer / die nach Folianten greifen…“ – Die Autorin, die in Leipzig Ernst Bloch gehört und bei Hans Mayer Germanistik studiert hat, bedient sich der Sprache in oftmals dialektischer, in jedem Falle vielfältiger Weise. Ihre Lyrik variiert in der Form, die Verse sind teils frei, teils gebunden, die Gedichte sind zuweilen sparsam, gelegentlich ausführlich, konkret und bildhaft, nie allzu themenverliebt, dabei gebildet und intellektuell in dem Maße, das Poesie verträgt. „In sperriger Lebenswelt“ zeigt, wie ein philosophischer Blick auf die Dinge der Lyrik zugute kommen kann. – „auch wenn wir meinen / stein vom fels zu sein: / uns ganz und gar / im ganzen zu vereinen / läßt uns das wahre ganze / absichtslos allein“