Ausgezeichnet! Das darf sich jetzt die Buchhandlung Albatros im Bremer Fedelhören auf die Fahnen schreiben, denn sie hat den Bremer Buchhandlungspreis 2023 erhalten. Noch dazu ist sie für den Deutschen Buchhandlungspreis nominiert. Im Interview verrät der Buchhändler Michael Hockel mehr über seine Arbeit.
Lieber Michael, du hast die Buchhandlung Albatros im letzten Jahr übernommen. Was waren deine Pläne bei der Übernahme?
Einen Masterplan hatte ich bei Übernahme gar nicht, dafür fehlte mir als Quereinsteiger das theoretische Fachwissen über den Buchhandel. Daher habe ich zu Beginn viele Entscheidungen intuitiv und wissentlich naiv getroffen. Da ich vorher begeisterter Stammkunde bei der Albatros Buchhandlung war, war mir klar, dass ich nicht alles umkrempeln wollte. Als Nachbarschaftsbuchhandlung mit Attitüde fand ich sie immer toll.
Wie schwer ist es denn, eine Traditionsbuchhandlung, die immerhin 40 Jahre in anderen Händen war, behutsam zu modernisieren?
Ich fand es nicht unbedingt übermäßig schwer, aber es war richtig viel Arbeit. Dass ich den Namen behalte, war mir sofort klar. Ein neues Logo zu gestalten, obwohl das alte Logo auch wunderschön war, war eine schwierigere Entscheidung – aber genau in der Kombination „Name bleibt, Logo neu“ hat sich nach außen gezeigt, dass sich nicht alles ändert, aber ein bisschen was schon.
In Bezug auf das Sortiment musste ich erstmal den Lagerbestand reduzieren, um ein etwas luftigeres, offeneres Raumkonzept möglich zu machen. Dann habe ich analysiert, welche Themen und Warengruppen in den letzten Jahren welchen Anteil am Umsatz hatten und habe mir angesehen, wie viele Regalmeter sie einnehmen. Bei einigen Themen war dann eine Reduzierung des Titelbestands angesagt. Zudem habe ich Themen, die mir persönlich wichtig sind, ausgebaut bzw. überhaupt erst ins Sortiment genommen und insgesamt jüngeren Themen mehr Raum gegeben. Mein Ziel war es, gleichzeitig die bestehende Stammkundschaft weiterhin glücklich zu machen und jüngere Menschen inhaltlich anzusprechen, um die Buchhandlung vorsichtig zukunftssicher umzubauen.
Auf technischer Seite war zum Glück schon recht zeitgemäße Hardware vorhanden, die ich nur ein bisschen ergänzt habe. Social Media Accounts waren noch nicht vorhanden, die musste ich erst anlegen. Die Website habe ich nach und nach verbessert und bin da noch lange nicht fertig, da der Fokus im Zweifel immer zuerst auf dem Ladengeschäft liegt.
In der Buchhandlung Albatros findet man eine sehr persönliche Auswahl an Titeln. Was macht für dich richtig gute Bücher aus und wie entdeckst du sie?
Persönlich lese ich oft am liebsten Bücher, die über das Erzählen einer persönlichen Geschichte gesellschaftlich oder politisch relevante Themen verhandeln und dazu vielleicht Trauriges beziehungsweise Ernstes mit Lustigem kombinieren können. Eigentum von Wolf Haas ist da ein aktuelles Beispiel: Haas schreibt über das Leben seiner im Sterben liegenden Mutter und seinen Abschied von ihr und beschäftigt sich dabei mit den generations-typischen Traumata und deren Folgen. Das ist eigentlich oft bedrückend – aber durch seinen lakonischen Humor und seinen Sprachwitz ist es trotzdem ein sehr komisches Buch. Aber auch Bücher, die fast nur komisch oder fast nur ernst sind, können großartig sein.
Ich wälze viel die saisonalen Vorschaukataloge der Verlage und versuche, aus den dort enthaltenen Texten eine Vorauswahl zu treffen. Da ist wieder viel Intuition dabei. Dabei habe ich inzwischen auch ein paar Lieblingsverlage, deren Programm ich besonders genau studiere. Außerdem folge ich vielen Buchmenschen auf Instagram und Twitter, habe ein paar Newsletter abonniert und höre ab und zu Podcasts – auf diesen Wegen finde ich dann manchmal noch Bücher, die mir sonst durchgerutscht wären. Manchmal bestellen auch Menschen Bücher bei mir und nach dem Lesen des Klappentextes bestelle ich gleich noch ein Exemplar für den Laden.
Auf welche Neuerscheinungen im Herbst freust du dich besonders?
Ohne eins davon schon gelesen zu haben, bin ich beispielsweise sehr gespannt auf die Neuerscheinungen von Jasmin Schreiber (Endling, ein Buch über eine Schneckenforscherin), Annie Ernaux (ihr Debüt erstmals auf Deutsch), Toni Morrison (auch ihr Debüt – neu übersetzt), Helge Schneider, Paula Irmschler, ein neues Farbenmonster-Buch und die neue Reihe rororo Entdeckungen.
Und hast du andere Lieblingsbücher, die wir unbedingt entdecken sollten?
Holly im Himmel von Micha Lewinsky ist der beste, lustigste und traurigste Kinderroman, den ich seit langem gelesen habe. Nincshof von Johanna Sebauer hat mich gerade erst sehr begeistert mit skurrilen Figuren, einer fantastischen Geschichte und ganz viel Sprachwitz. Die Autorin konnten wir zum Glück dann auch für eine Lesung bei uns im Oktober gewinnen. Und noch dutzende mehr, aber die gibt es dann im Laden.
Mit der Albatros Buchhandlung bist du auch auf Instagram aktiv und gibst regelmäßig (sehr gute!) Lesetipps. Wie wichtig sind die Social Media Plattformen inzwischen für den Buchhandel?
Definitiv wichtig sind sie für mich, um Tipps und Empfehlungen von Menschen zu bekommen, deren Meinung ich wertschätze.
In der Gegenrichtung kommt es schon vor, dass Menschen reinkommen und das Buch kaufen, das wir gestern gepostet haben, weil es interessant klang. Die Vorstellung, dass ein Post dazu führt, dass wir ein Buch gleich stapelweise verkaufen, ist leider aber fast immer irrig. Ich sehe daher unser Posten bei Social Media weniger als Verkaufs-Ankurbelung, sondern eher als Möglichkeit, unser Profil sichtbar zu definieren, Haltung zu zeigen und uns in Erinnerung zu rufen. Vielleicht kommen die Leute mal wieder zum Stöbern und Plaudern vorbei, kaufen aber ein ganz anderes Buch und nicht das Vorgestellte.
Was meinst du, wie sieht die Zukunft des Buches aus – und des Buchhandels?
Aus der Vergangenheit extrapoliert gehe ich schon davon aus, dass das Buch eine Zukunft hat, die auch nicht so schnell vorbei sein wird, auch wenn sich Marktanteile und Druckformate ändern.
Der Marktanteil der kleinen Buchhandlungen ist schwer zu verteidigen. Aber ich glaube, dass wir bestehen oder sogar die Konzerne ein Stück zurückdrängen können, wenn wir untereinander solidarisch agieren, wenn wir unsere Stärken in den Fokus rücken und wenn wir uns dort, wo die großen Ketten zugegebenermaßen besser sind, ein paar Sachen abschauen und Technologie zu unserem Nutzen einsetzen.
Albatros
befindet sich seit 1982 im Fedelhören in der Bremer Innenstadt. Vor Ort gibt es eine Auswahl an Romanen und Erzählungen, ein gepflegtes Krimi- und Lyrikregal sowie spannende Literatur zu Architektur, Kunst, Philosophie, Geschichte, Politik und Psychoanalyse.
Michael Hockel hat die Albatros Buchhandlung Anfang 2022 übernommen und die bisherige Grundausrichtung der Buchhandlung beibehalten. Er bietet weiterhin gute Literatur, ausgewählte Kinder- und Jugendbücher und relevante Sachbücher an – und hat seit der Übernahme das Sortiment behutsam jünger und diverser gestaltet.
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