Hier geht es um eines der wichtigsten und spannendsten Dinge, die es gibt: Kinder- und Jugendliteratur! Das liest man schon auf der Homepage des Litteralund, Schwedens größtem Festival für ebendiese wichtige Kinderliteratur. Dieses Jahr feierte es sein 20jähriges Bestehen und Annika Depping durfte als Vertreterin aus der City of Literature Bremen dabei sein.
Schon im ersten Café, das ich am Montag fünf Minuten nach meiner Ankunft zu einer typischen schwedischen Fika betrete, um Lunds Literaturkoordinatorin Karin Runevad zu treffen, wird mir klar: In Lund dreht sich nicht nur im Moment alles um die Literatur! In einem kleinen Regal gegenüber der Auslage mit leckerem Backwerk stehen Bücher, die sich die Gäste in Bröder Jakobs Stenugnsbagari für ihren Aufenthalt mitnehmen können. Im Stadtbild finden wir außerdem an allen Ecken Zeichen auf das Litteralund: Große Plakate, aber auch bunte Würfel-Sitzbänke auf öffentlichen Plätzen in der Innenstadt, versprühen im frühlingshaften Sonnenschein Lebensfreude und die Lust auf Kinderliteratur. Eine ganze Stadt ist hier gerade im Litteralund-Fieber!
Aber natürlich hat Lund auch darüber hinaus viel zu bieten, immerhin hat sich die Stadt im südschwedischen Skåne im März um den Titel City of Literature beworben. Mit mir gemeinsam sind darum auch Maja Dimerli aus der City of Literature Odessa und Aleksandra Stockowiec aus Danzig, das sich ebenfalls dieses Jahr bei der UNESCO um den Titel beworben hat, zu Gast, um die Konferenz zu besuchen und gemeinsam mit unseren Gastgeber*innen Lunds Literatur- und Kulturszene zu entdecken.
Los geht es für uns mit einem meiner liebsten Erlebnisse in diesen drei Tagen: Wir sind bei der Vernissage der Ausstellung Nothing is impossible for us – 20 Picturebook Makers at Work in Lundskonsthall dabei. Hier werden die Werke von zehn schwedischen und zehn internationalen Hochkarätern gezeigt, die auch zum Festival angereist sind. Besonders beeindruckend: Neben fertigen Werken zeigt die Ausstellung auch Skizzen, Arbeitsprozesse und Objekte, die die Künstler*innen ebenfalls gestaltet haben – Keramik, Miniaturszenen, Holzfiguren, Stickereien… Die Vielfalt der Techniken, Ausdrucksweisen und Sujets ist enorm! Hinterher schweben wir noch im Bilderbuch-Himmel, während wir Lunds kulturchef Mårthen Mirza kennenlernen und mehr über seine Arbeit erfahren.
Lund ist eine wichtige Universitätsstadt, ein Großteil der Bevölkerung sind Studierende und Akademiker*innen. Bei einem Treffen mit Vertreter*innen der Universität am Dienstag erfahren wir, dass dort Narrative Medicine unterrichtet wird, also Literatur ein Bestandteil der Ausbildung angehender Ärzte und Pfleger*innen ist. Dadurch werde es leichter, mit den Patient*innen in den Dialog zu treten, aber auch mit psychischen Belastungen wie dem Tod umzugehen, erfahren wir. Besonders etabliert ist in Lund das Shared Reading, ein Format, bei dem gemeinsam kurze Texte gelesen und besprochen werden, Dialoge auf Augenhöhe entstehen. Auch im Litteralund-Programm können Konferenz-Teilnehmer*innen das Shared Reading ausprobieren.
Für uns geht es dann weiter im Stadshuset mit Litteralunds Konferenz. In Lund dreht sich nämlich während des Litteralund alles um Kinderliteratur, aber längst nicht alles ist für Kinder: Ein großer Teil des Programms richtet sich mit dem Konferenz-Format an Erwachsene. Gut 600 Lehrer*innen, Erzieher*innen und Bibliothekar*innen beschäftigen sich zwei Tage lang mit aktuellen, besonderen Kinder- und Jugendbüchern, nehmen an Lesungen und weiteren Angeboten Teil. Das Gefühl, dass Kinderliteratur natürlich auch etwas „für die Großen“ ist und es völlig in Ordnung ist, wenn wir Kulturschaffenden mächtig Freude an einer Fika mit Pippi-Langstrumpf-Eis haben, das trage ich gerne mit mir nach Hause.
Das Litteralund-Programm ist hochkarätig besetzt: Mit Kitty Crowther, Eva Lindström, Meg Rosoff und Isol sind gleich vier Preisträger*innen des Astrid Lindgren Memorial Awards eingeladen, mit Kindern in Workshops zu arbeiten, vorzulesen und an Gesprächen im Rahmen der Konferenz teilzunehmen. Alle anderen Gäste sind ebenfalls international bekannt und sehr inspirierend, wie die Schwedin Sara Lundberg, die gerade für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde, Jon Klaasen aus Kanada oder der vielfach ausgezeichnete Øyvind Torseter aus Norwegen. In Gesprächen während der Konferenz verraten sie mehr über ihre Arbeitstechniken, die Ausstellung und ihre Werke.
Am Dienstagabend steht dann ein besonderer Programmpunkt an: Bei einer Kinderbuchgala wird der Geburtstag des Litteralund gefeiert. Bei beeindruckenden musikalischen Beiträgen stellen sich die Festivalmacher*innen vor und verraten mehr davon, wie das Festival aus der Traufe gehoben wurde. Für mich, die ich mit der Galaxie der Bücher ein noch ganz junges Kinderbuchfestival leite, besonders interessante Einblicke. Und das gilt natürlich allgemein für den Besuch in Lund. Egal ob in Skissernas Museet, wo statt fertiger Bilder Skizzen ausgestellt werden und Autor*innen mit dem Publikum im Format folkets hörna über Textentwürfe diskutieren, bei einem wunderbaren Austausch mit der jungen Autorin und Projektleitung Emma-Karin Rehnman oder im Bus auf der Heimfahrt nach der Gala, wo glückliche, kinderbuchliebende Schwed*innen gemeinsam Lieder singen – mein Ausflug nach Lund war eine große Inspiration!
Und wo wir eben schon beim Thema Astrid Lindgren waren: Der Geist der großen schwedischen Kinderbuchautorin ist während der Konferenz immer wieder spürbar, sei es beim „mumsigen“ Pippi-Langstrumpf-Eis zur Fika, in der Dekoration des Stadshuset oder in den Gesprächen mit den Autorinnen wie Kitty Crowther, die einige ihrer Bücher neu illustriert hat, oder mit Meg Rosoff, die sich als Kind schon mit der rebellischen Pippi identifiziert hat. Und wie Pippi schon sagt: „Wenn ihr nicht nach Hause geht, könnt ihr ja nicht wiederkommen. Und das wäre schade.“ Darum heißt es auch für uns am Donnerstagmorgen wieder Abschiednehmen. Aber der Kontakt zu Lund und den anderen Gästen dort bleibt bestimmt bestehen. Bis dahin sage ich: Tack för senast och vi ses igen snart!