„Wow, was für ein Debütroman! Und was mag da vielleicht auch noch kommen von dieser Autorin, die so ein literarisches Händchen beweist und diese Geschichte auch noch so kunstvoll und so klug gestrickt hat“, schwärmte Katrin Krämer bei Radio Bremen über die Bremer Autorin Antonia Bontscheva und ihren Roman Die Schönheit von Baltschik ist keine heitere (Frankfurter Verlagsanstalt 2021). Jetzt ist Antonia Bontscheva zu Gast bei der globale°. Im Vorfeld hat sie mit Annika Depping über bulgarischen Humor, die Freude am Schreiben und das Herbstwetter in Bremen gesprochen.
Frau Bontscheva, Die Schönheit von Baltschik ist keine heitere heißt Ihr Debütroman, der sich allerdings äußerst heiter liest. Wie schreibt man humorvoll über Übergänge, Untergänge und Schicksalsschläge?
Ich finde, das ist etwas Bulgarisches. Allerdings nicht nur die Heiterkeit. Bulgaren haben zwei Arten den Unbilden des Lebens zu begegnen: die der Melancholie und die des Humors. Das Leben macht meine bulgarischen Landsleute melancholisch und zu diesem weichen Gefühl trauen sie sich. In Deutschland habe ich gelernt, das zu schätzen. Der Humor wiederum hilft ihnen, Unzulänglichkeiten zu ertragen und Aggressionen zu kanalisieren. Beide Stimmungen prägen die Melodie meines Schreibens.
Wie behält man aber den Humor, bei so vielen Übergängen, Untergängen und Schicksalsschlägen? So verstehe ich Ihre Frage. Ich finde in erster Linie, indem man so eine Haltung anstrebt und schätzt und auch vorgelebt bekommen hat. Humor setzt die Bereitschaft voraus, die Dinge in ihrer Widersprüchlichkeit zu sehen. Humor entwickelt man außerdem, wenn man ihn in gewisser Weise braucht. In Ländern, in denen ein halbwegs geregeltes Leben möglich ist, sind die Menschen weniger humorvoll. Das Leben in Bulgarien enthält so viele Unbilden, dass der Humor eine notwendige Überlebensstrategie ist. Und dann die Traurigkeit, die in meinem Roman auch als Stimmung mitschwingt. Beide Seiten gehören zusammen. Lässt man die Traurigkeit zu, kann man auch von Herzen lachen.
Es ist oft die Rede von grenzüberschreitender Literatur, Migrationsliteratur und transnationaler Literatur. Sind das Begriffe, unter denen Sie Ihren Roman gut aufgehoben finden?
Ja und nein. Ja, weil ich das Land und den Kulturkreis, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, verlassen habe. Das hat eine Bedeutung für mein Schreiben. Würde ich als Bulgarin in Bulgarien schreiben, wären meine Texte sicherlich anders. Grenzüberschreitende Literatur spiegelt aus meiner Sicht diese Gegebenheit.
Mit Migrationsliteratur kann ich etwas weniger anfangen. Meine Migrationserfahrungen spielen in meinem Roman eine Rolle, aber nicht die zentrale. Es ist ein Buch über eine innere Entwicklung, über einen weiblichen Reifungsprozess. Die Migration der Protagonistin ist der Hintergrund dafür. Sie beeinflusst diesen Prozess, ist aber nicht die Hauptsache dabei. Mein Anliegen beim Schreiben war es, tiefere Ebenen zu berühren. Dort, wo wir Menschen ähnliche Sehnsüchte und Konflikte haben, unabhängig davon, welchem Kulturkreis wir anhören und ob wir Migrationserfahrungen haben.
Sie wurden mit dem Bremer Autor*innenstipendium und mit dem Stipendium in den Künstlerhäusern Worpswede ausgezeichnet. Wie war es denn, in Worpswede zu schreiben?
Herrlich. Ich finde, dieser Ort hat eine besondere Energie. Eine, die mich inspiriert und zugleich beruhigt und mich dadurch zu mir selbst führt. Natürlich waren die Aufenthalte in Worpswede eine Pause vom Alltag. Auszeiten, in denen es von außen still wurde und dadurch im Inneren laut.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie einen Roman geschrieben haben?
Es war mir immer ein Bedürfnis, den Dingen auf den Grund zu gehen, ihre Komplexität zu erfassen, möglicherweise ihren Kern zu berühren. Gelingt mir dies halbwegs, fühle ich mich beruhigt. Das Leben verliert an Bedrohlichkeit. Das ist eine wichtige Treibkraft meines Schreibens. Außerdem: Es ist nicht einfach, zwischen zwei Kulturen zu leben. Es ist verdammt anstrengend die ganzen Widersprüche auszubalancieren. Schreiben hilft mir dabei.
Und ganz wichtig – Schreiben macht Spaß. Es ist eine konzentrierte Form des Lebens.
Ich habe nie Drogen genommen, aber so wie ich mich beim Schreiben fühle, stelle ich mir ihre Wirkung vor. Nur in den kostbaren Momenten natürlich, in denen ich nicht an mir selbst zweifele.
Im Roman geht es um die Frauen einer Familie in Ihrer Heimat Bulgarien und in Bremen, wo Sie heute leben. Wie viel von Antonia Bontscheva steckt denn in Ihrer Erzählerin?
Viel. Ich habe einen Roman mit autobiographischen Bezügen geschrieben. Allerdings war mein Anliegen dabei nicht, mein Leben zu erzählen. Zum einen ist mein Leben überhaupt nicht interessant, zum anderen finde ich Lebensberichte als Lesestoff nicht anziehend. Ich wollte mich mit den blinden Flecken in meiner Biographie befassen. Mit den Stellen, die an der Oberfläche nicht sichtbar sind. Oder verwirrend und verstörend wirken und erst dann verständlich werden, wenn man eine gewisse Tiefe erreicht. Dafür habe ich die Mittel der Fiktion genutzt. Die Handlung des Romans ist konstruiert, die Figuren sind zum Teil erfunden, zum Teil stark überzeichnet. Dennoch steckt in jeder Figur etwas von Antonia Bontscheva. Auch in den Empfindungen und inneren Konflikten der Protagonistin.
Bremen beschreiben Sie im Roman sehr wohlwollend; ich denke da an die herrliche Passage über den grauen Bremer Herbst, der der Erzählerin so gefällt. Was gefällt Ihnen denn an Bremen besonders?
Über die Verbindung zwischen dem Bremer Wetter und den melancholischen Stimmungen der Protagonistin steht ja etwas im Buch. Bremen hat aber auch andere Seiten, die ich sehr mag und schätze. Ich habe vom ersten Moment an etwas Sympathisches hier gespürt, etwas, das erstmal nur ein Gefühl war. Etwas später konnte ich es einordnen. Ich glaube, ich habe die Liberalität und die Offenheit gespürt, die mit der Geschichte dieser Stadt zusammenhängen. Damit, dass Bremer Kaufleute sehr früh in Kontakt mit anderen Kulturen kamen und auch damit, dass die Stadt sehr früh unabhängig war, vom Papst und vom König. Beides finde ich sehr sympathisch.
Und noch etwas: Nadya Hartmann, meine wunderbare Lektorin von der Frankfurter Verlagsanstalt sagte neulich auf einer Lesung: Die Schönheit von Baltschik ist ein Buch, in dem Frauen pausenlos reden. Sie tauschen sich aus, sie verbreiten ihre Ansichten, sie reiben sich aneinander. Ununterbrochen. Damit sprach sie ungewollt etwas an, das ich in Bremen sehr wohltuend empfinde – hier redet man nicht so viel. Man lässt Empfindungen nicht sofort heraus, man behält sie länger im Inneren. Dadurch gewinnen sie an Tiefe. Das schätze ich sehr. Vorausgesetzt natürlich, die Empfindungen verlassen irgendwann das Innere und werden mit anderen Menschen geteilt.
Und wie geht es jetzt weiter, arbeiten Sie schon an einem neuen Projekt? Können Sie mir etwas darüber verraten?
Das Manuskript, das ich ursprünglich bei der Frankfurter Verlagsanstalt eingereicht habe, enthielt etwas mehr als 600 Seiten. Vom Verlag kam der Vorschlag, dass wir den Text teilen und die Argumente dafür waren überzeugend. Die Schönheit von Baltschik ist etwa 400 Seiten lang. Der Rest soll die Grundlage für einen zweiten Teil sein, an dem ich momentan arbeite. Es wird darum gehen, wie die Protagonistin die Erkenntnisse, die sie bei ihrer Reise gewinnt, hier in ihrem Leben in Deutschland umsetzt. Um bulgarische Geschichte und Gegenwart wird es auch gehen. Dazu recherchiere ich intensiv.
Antonia Bontscheva
wurde in Varna in Bulgarien geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Bremen. Sie studierte Germanistik in Berlin, arbeitete als Deutschlehrerin und Journalistin, u. a. mit literarischer Radiokolumne für Funkhaus Europa. Die Schönheit von Baltschik ist keine heitere (Frankfurter Verlagsanstalt 2021) ist ihr Romandebüt, für das sie das Bremer Autorenstipendium des Senators für Kultur und das Stipendium des Bremer Literaturkontors in den Künstlerhäusern Worpswede erhielt.
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