23.06.
Ich bin schwanger. Nico und ich haben schon einige Male über das Thema gesprochen, aber irgendwas in mir hat schon damals ein Unwohlsein ausgelöst.
28.06.
Nico weiß es jetzt auch. Ich dachte, dass seine Begeisterung mich anstecken wird. Stattdessen hat er genickt und sich dann wieder seinen Miniatur-Autos gewidmet. Vielleicht war es einfach der falsche Zeitpunkt?
08.08.
Den Haushalt zu schmeißen, wird immer anstrengender. Mir ist ständig übel und seit gestern schwindelig. Nico möchte nichts davon hören. Er sagt andauernd, dass ich das schon schaffe, weil es alle anderen Frauen vor mir auch geschafft haben.
15.08.
Irgendwie fühle ich mich heute komisch.
16.08.
Nico! Geh an dein Handy!11:34
Irgendwas ist mit dem Baby…11:41
Ich habe Angst, bitte komm11:44
Ich bin arbeiten…15:47
Dem Baby geht es gut.15:48
Wann kommst du nachhause?15:48
Später17:13
02.10.
Wo bist du?8:18
Mit meiner Mama brunchen. Das weißt du
doch8:23
Ich habe kein sauberes Hemd mehr8:23
Was soll ich jetzt machen?8:24
Die Wäsche hängt im Keller. Nimm dir ein
Hemd und bügle es schnell.8:29
Ich muss aber jetzt zur Arbeit!!!8:29
Mach das, wenn du da bist8:29
26.12.
Die Weihnachtsfeiertage haben mir Hoffnung gegeben. Nico hat das Babybett und den Wickeltisch, den ich favorisiert habe, heimlich gekauft und mir an Heiligabend präsentiert. Ich freue mich !
05.01.
Kaum ist das Jahr angebrochen, stürzt sich Nico in die Arbeit. Seit Silvester habe ich ihn kaum mehr zu Gesicht bekommen. Vielleicht waren die Möbel teurer als gedacht… schließlich ist er gerade der Hauptverdiener.
11.02.
Mein Papa war zu Besuch und hat mir mit dem Haushalt geholfen. Ich muss gestehen, dass es schön ist, eine helfende Hand zu haben.
12.02.
Ich habe heute ganz viele Vögel
bei meinem Spaziergang
gesehen10:04
Ich würde total gerne wissen
wie es ist, zu fliegen10:04
Diese Freiheit muss unvorstellbar
schön sein10:04
gelesen
13.02.
Kannst du mein Arbeitszimmer
aufräumen, bitte? Das sieht
total chaotisch aus11:49
Das ist dein Zimmer…11:59
Bitte, Liebling… ich komme heute
super spät nachhause und
schaffe das alles nicht mehr12:00
Ich habe auch den ganzen
Tag zutun12:01
Du bist doch nur Zuhause12:01
Ich bin in Mutterschutz12:01
So ist das halt.12:02
Komm schon, alle anderen
vor dir haben das auch geschafft12:02
Außerdem kannst du das eh viel
besser als ich12:02
Okay12:05
Lieber Nico,
du bist frei. Du hast einen sicheren Job, viele großartige Freunde und bist unabhängig. Du lebst. Doch was tue ich? Ich lebe für dich. Die Wäsche, das Kochen, das Putzen, der Einkauf und selbst das Aufbauen des Kinderzimmers ist an mir hängen geblieben. Ich fühle mich wie ein Vogel in einem Käfig, der frei sein will aber gezwungen wird unfrei zu sein.
Für dich muss ich schwanger sein. Für meinen Job darf ich nicht schwanger werden. Du wirst niemals die Frage in einem Jobinterview bekommen, ob du Kinder möchtest. Dir allein gehört dein Körper. Was kriege ich? Hass, Sexismus und unbezahlte Arbeit.
Ich muss ausbrechen, aus diesem Strudel an Ungerechtigkeit. Mein Leben ist zu wertvoll, um es damit zu verschwenden in eine bestimmte Rolle zu passen. Diese Rolle drängt mich zu Boden und lässt mich nicht atmen. Doch ich brauche Luft, um zu überleben. Nicht nur ich brauche diese Luft, sondern jetzt auch jemand anderes. Ich muss sie schützen, um jeden Preis. Am liebsten würde ich sie vor allen frauenfeindlichen Strukturen in unserer Gesellschaft schützen, was unmöglich ist. Aber ich kann sie vor dir und deiner Denkweise schützen. Ich schütze uns, indem ich ausbreche, aus unserem persönlichen System der unfairen Machtverhältnisse.
Ich bin eine Frau. Ich muss stark sein und trotzdem werde ich niemals auch nur ansatzweise so hoch fliegen können wie du. Das kann ich nur für mein kleines Küken hoffen.
Auf eine Zukunft, in der alle Vögel gleich hoch fliegen können.
Charlotte