Geschenketipps aus der Redaktion

Was könnte unter dem Weihnachtsbaum Schöneres liegen als ein Buch? Viele Bücher! Damit du garantiert das richtige literarische Geschenk findest - oder auf deinen Wunschzettel setzen kannst -, haben wir in der Redaktion unsere Favoriten zusammengestellt.

Anaïs Lenuweit: Wer Lust auf Theorie hat, die Spaß macht, freut sich über Veronika Reichls Das Gefühl zu denken. Reichl lädt uns ein, in mehreren Kurzgeschichten mit den Gedanken und Ideen bekannter Philosoph*innen spazieren zu gehen, ohne sich zu verlaufen. Dabei sind wir unmittelbar bei den vielen unterschiedlichen Erzählstimmen - nämlich mitten in ihrem Kopf! Wie fühlt es sich an, wenn sich eine jahrhundertalte Idee mit der Lebensrealität einer Studentin verbindet und plötzlich in Klarheit greifbar wird? 

Die Trockenheit manch philosophischer Texte weicht einer Lektüre, die mit einer gewissen Leichtigkeit nachgespürt werden kann und lebendig wird. Das, was Kant, Hegel und co. fehlt, schenkt Reichl uns in diesem Buch und verwebt authentisch Wissen mit Gefühl und Erfahrung!

DAS GEFÜHL ZU DENKEN | Veronika Reichl | Matthes & Seitz | Berlin 2023 | 251 Seiten | € 22

Larissa Beck: Was passt besser zum Fest der Liebe, als sich mit dem Thema der gesellschaftlichen Liebesnormen und traditionellen Beziehungsmodellen zu befassen? Şeyda Kurt schafft es mit dem Buch Radikale Zärtlichkeit unter dem Motto "Warum Liebe politisch ist", sich humorvoll und auf interessante Weise mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Autorin greift dabei Rassismus, Kapitalismus und das Patriarchat in Bezug auf die heutzutage bekannten Beziehungsmodelle auf und beschreibt diese ebenfalls anhand ihrer eigenen biografischen Erfahrungen. Sie fordert dazu auf, durch empathische Nähe und Mitgefühl kollektive Veränderungen anzustoßen.

RADIKALE ZÄRTLICHKEIT. WARUM LIEBE POLITISCH IST | Şeyda Kurt | SACHBUCH HarperCollins | Hamburg 2021 | 224 S. | €18,00

Janin Rominger: Wenn deine Freund*innen auch gerade hauptsächlich Sachbücher lesen und ihnen die Weltlage zu düster scheint für einen seichten Roman mit happy end, dann ist vielleicht der neue Gedichtband von Max Czollek eine willkommene Abwechslung – und potenziell ein perfektes Geschenk! Denn wenn deine Freund*innen Essays lesen, werden sie Max Czollek eh kennen (falls er dir kein Begriff ist, lies unbedingt Desintegriert euch, Gegenwartsbewältigung und Versöhnungstheater!). Unter dem Titel Gute Enden sind seine aktuellen Gedichte dieses Jahr im Verlagshaus Berlin erschienen. Falls der Titel nach dem Auspacken erstmal irritiert, kannst du deine Freund*innen beruhigen: Im Zentrum des Buches steht die Traurigkeit.

In poetischer Sprache verhandelt Max Czollek die Krisen dieser Welt, überlegt, wann wir als Menschheit falsch abgebogen sind und bei all dem ist er unterwegs: in den USA und Canada, in Europa und Israel. Keine Ahnung wie Max Czollek das macht, aber seine Gedichte spenden trotz all den schweren Themen ein bisschen Trost – und das kann in den Tagen zwischen den Jahren bestimmt nicht schaden!

GUTE ENDEN | Max Czollek | LYRIK Verlagshaus Berlin | Berlin 2024 | 120 S. | € 22,00

Annika Depping: Hey, hey, hey, ich steige in ein Taxi und fahre in eine Geschichte voll mit Zwergen und Drachen und Büchern und supercoolen Bildern! Wer in die Taxis in Hey, hey, hey, Taxi! 2 einsteigt, erlebt auf jeden Fall mehr als ein Abenteuer und kann sich doch sicher sein, dass er oder sie am Ende immer wieder nach Hause kommt. Diese Texte sprühen vor Saša Stanišićs fulminant-rasantem Erzählsound und machen sich garantiert großartig unter jedem Tannenbaum. Ein großes Glück sind auch die witzigen Illustrationen von Katja Spitzer. Hey, hey, hey: eine ganz große Empfehlung!

HEY, HEY, HEY, TAXI! 2 | Saša Stanišić | Illustrationen: Katja Spitzer | KINDERBUCH Mairisch Verlag | Berlin 2024 | Ab 6 Jahren

Jens Laloire: Hart und poetisch zugleich erzählt Valerie Fritsch in ihrem vierten Roman Zitronen die lange Geschichte der häuslichen Gewalt im Leben des August Drach. Vom Vater geschlagen, von der Mutter künstlich krank gehalten, prägt ihn seine Kindheit derart, dass er später als Erwachsener selbst Gewalt gegen seine Partnerin anwendet. Die Auseinandersetzung mit sich selbst führt August zurück ins Elternhaus, wo die Wiederbegegnung und Konfrontation mit seiner Mutter ansteht.
Für das Buch hat die österreichische Autorin intensiv recherchiert, vor allem zu gewaltvollen Beziehungen und dem sogenannten Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Damit verknüpft hat sie zahlreiche Gespräche mit Opfern von Gewalt geführt, aber auch mit Gewalttätern. Fritsch gelingt es, diesen brutalen Stoff in ihrem dichten Roman ungemein kunstvoll in einer bilderreichen Sprache zu entfalten, die bei aller Härte und Gewalt dennoch Raum lässt für Zärtlichkeit und Poesie.

ZITRONEN | Valerie Fritsch | ROMAN Suhrkamp Verlag | Berlin 2024 | 186 S. | 24,00 Euro 

Rike Oehlerking: Die Weihnachtszeit kann für Menschen, die kürzlich jemanden verloren haben, schmerzvoll und tröstlich zugleich sein. In oft über Jahrzehnte eingeübten Ritualen werden Lücken, die Verstorbene hinterlassen, umso spürbarer. Und gleichzeitig können wir die Emotionalität und Besinnlichkeit dieser Jahreszeit auch als Chance sehen, noch einmal Revue passieren zu lassen, noch einmal hinzufühlen und dann loszulassen. Genau hier kann das Buch Die Zeit der Verluste von Daniel Schreiber ein guter Begleiter sein. Offen und ehrlich beschreibt der Autor und Essayist, wie er den Verlust seines Vaters erlebt und durchlebt hat. Die Schwere, die Dunkelheit, aber auch der Hoffnungsschimmer, sich eines Tages wieder leichter zu fühlen, sind nachvollziehbar und nachfühlbar. Ich kann dieses Buch nur empfehlen – auch jenen Menschen, die noch niemanden verloren haben.

DIE ZEIT DER VERLUSTE | Daniel Schreiber | ESSAY Hanser Berlin | Berlin 2023 | 144 S. | € 22,00


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