Katharina Mevissen im Interview

"Katharina Mevissen hat eine hohe Sensibilität für die poetischen Merkwürdigkeiten des Lebens", schreibt die Süddeutsche Zeitung. Nach dem Studium in Bremen hat es die junge Autorin nach Berlin verschlagen. Gerade hat sie ihren zweiten Roman veröffentlicht: Mutters Stimmbruch. Im Interview erzählt sie mehr über die Figur der Mutter, die Zukunft von früher und die Rolle der Stimme in der Literatur.

In deinem gerade erschienenen zweiten Roman Mutters Stimmbruch erzählst du von der rätselhaften Figur Mutter und dem Älterwerden. Wie kamst du zu dieser Geschichte?

In meinem Debüt gab es schon eine ältere Frauenfigur, Tante Elide. An ihr hab ich gemerkt, dass mich das Erzählen älterer Figuren und ihrer Konflikte neugierig macht. Aber Tante Elide war nun mal eine Nebenfigur, und der Raum, den sie in Ich kann dich hören einnehmen konnte, war begrenzt. Leider ist das dann eben auch die Regel: Dass ältere und alte Figuren nicht die tragenden Rollen spielen und eher im Hintergrund bleiben, gerade die mit weiblichen Biografien. Darum fand ich es spannend und wichtig, bei meinem zweiten Buch eine alte Protagonist*in in den Mittelpunkt zu stellen.

Katharina Mevissen
© Maischa Souaga

Auch wenn Mutter im Roman das Alter plagt – Schmerzen, ausfallende Zähne… – geht es im Roman um einen Aufbruch und Neuanfang. Was hat Altern mit Zukunft zu tun?

Ja, Mutter ist alt. Aber vor ihr liegt immer noch eine Zukunft, die sie gestalten kann. Und die sie unbedingt gestalten und mitbestimmen will, gerade weil sie begrenzter wird. Auch deswegen ist ihre Verwandlung, ihr Neuanfang so dringend. Im Alter kommt die Zukunft immer näher: Zukunft ist in Mutters Alter nichts mehr, was in abstrakter, weiter Ferne liegt, für Veränderungen ist nicht mehr ewig Zeit. Oder anders gesagt: Wenn wir älter werden, kommen wir irgendwann in der Zukunft von früher an. Auch wenn die wahrscheinlich anders ist, als wir sie uns vorgestellt haben.

Der Roman heißt Mutters Stimmbruch – Mutter findet ihre dritte Stimme. In deinem Debüt Ich kann dich hören ging es ums Zuhören, deine Dissertation beschäftigt sich mit Mündlichkeit in der Literatur. Was interessiert dich an diesem Themenfeld des Sprechens und (Zu-)Hörens besonders?

Du hast lange in Bremen gelebt und hier Kulturwissenschaften und Transnationale Literaturwissenschaft studiert. Welche Rolle spielt das für dein Schreiben?

Ich bin immer noch froh, dass ich mich für diese Fächer entschieden habe. Denn die Methoden und Perspektiven aus der Kulturwissenschaft sind für das Schreiben total produktiv. Teilnehmend zu beobachten, sich verschiedene kritische Perspektiven auf eine Sache zu erarbeiten, viele Fragen zu stellen, die eigene Position reflektieren. Und an der Transnationalen Literaturwissenschaft fand ich super, dass dort Literatur grenz- und sprachübergreifend gelesen wird. Dass man sich nicht erst an einem überholten germanistischen Kanon abarbeiten muss, sondern freier, vernetzter und mehrsprachig auf Texte blicken kann. Auch wenn sich das beim Familienfest erfahrungsgemäß immer nicht so zufriedenstellend vermitteln lässt ;)

 

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