Die Kurt Wolff Stiftung: für Anerkennung und Sichtbarkeit

Die Kurt Wolff Stiftung macht sich für Indie-Verlage stark - und das ist auch bitter nötig! Im Interview erzählt das Team, warum eine Auszeichnung für unabhängige Verleger*innen so bedeutsam ist, wie die unabhängige Verlagslandschaft aussieht und was sie derzeit bedroht.

Die Kurt Wolff Stiftung versteht sich als Interessenvertretung unabhängiger deutscher Verlage – aber was macht unabhängige Verlage eigentlich aus?

Unabhängige Verlage sind zumeist inhabergeführt, vor allem die Programmpolitik wird also von einer Person geprägt, die zumeist auch das volle wirtschaftliche Risiko ihrer Entscheidungen trägt. Die Programme folgen häufig einer Maxime, die sich auf den Verleger Kurt Wolff bezieht, der zufolge sie nicht „dem Publikumsgeschmack dienerisch nachlaufen“, sondern Bücher veröffentlichen, die „die Leute lesen sollen“. Diese Verlage sind insofern kaum profitorientiert und ihre Programme zeichnen sich häufig dadurch aus, Stimmen fernerer Kulturen oder übersetzt aus kleineren Sprachen zu beinhalten, noch unbekannte Autorinnen und Autoren zu entdecken oder fast vergessene Texte wiederzuentdecken.

Auf der Leipziger Buchmesse wird jedes Jahr mit dem Kurt-Wolff-Preis ein in Deutschland ansässiger unabhängiger Verlag ausgezeichnet. Warum ist der Preis so wichtig für die Verlagslandschaft?

Der Kurt-Wolff-Preis zeichnet alljährlich ein herausragendes Verlagsprogramm oder eine Persönlichkeit für ihr verlegerisches Lebenswerk aus. Neben der Wertschätzung (und dem Preisgeld von 35.000 Euro) für den ausgezeichneten Verlag, lenkt die begleitende Berichterstattung die Aufmerksamkeit allgemein auf das Schaffen unabhängiger Verlage. Davon profitieren auch die Kurt-Wolff-Förderpreisträger, häufig jüngere Verlage, die dank des Preises nötige Anerkennung und Sichtbarkeit erhalten.

Mit Wer bekommt was vom Buch informiert die Kurt Wolff Stiftung auf einem anschaulich gestalteten Plakat über die an einem Buch beteiligten Menschen und Unternehmen. Was war der Gedanke und das Anliegen dahinter? 

Wir beobachten seit Jahren immer wiederkehrende Diskussionen über die Angemessenheit der Verkaufspreise von Büchern. Nach unserem Eindruck ist vielen dabei nicht bewusst, welche Arbeitsprozesse mit der Veröffentlichung eines Buchs verbunden sind. Während einige Beteiligte in prekären Verhältnissen arbeiten müssen und höhere Einnahmen durch höhere Buchpreise dringend brauchen, klagen Teile des Publikums über steigende Ladenpreise. Es schien uns daher wichtig, den Wert eines Buches auch dadurch zu veranschaulichen, dass wir diejenigen, die an einer Buchveröffentlichung mitwirken, zeigen und ebenso den Anteil, den sie vom Ladenverkaufspreis erhalten. Unterstützt durch die wunderbaren Illustrationen von Golden Cosmos ist ein Plakat entstanden, für das wir erfreulich viel Aufmerksamkeit bekommen haben. Es ist übrigens weiterhin erhältlich.

Eine Person liest ein Buch und fragt sich "Wer bekommt was vom Buch?"
© Golden Cosmos

Wenn man die Übersicht der Verlage in Ihrem Freundeskreis betrachtet, bekommt man den Eindruck: Es gibt wirklich viele unabhängige Verlage! Stimmt das tatsächlich? 

Der Eindruck täuscht nicht, im Gegenteil. Während der Freundeskreis der Stiftung derzeit etwa 140 Mitglieder zählt, gibt es bundesweit sicher allein in Deutschland um die 500 unabhängigen Verlage, die in den Bereichen Belletristik und Sachbuch publizieren. Es gibt also vieles zu entdecken. Eine gute Übersicht bietet der Hotlistblog.

Wie ist die Lage dieser Indie-Verlage in Deutschland?

Die Lage, sagen wir es deutlich, ist ernst, mancherorts existenzbedrohlich. Die letzten Jahre waren für unabhängige Verlage in Deutschland schwierig. Seit Jahren verschlechtern sich stetig die Rahmenbedingungen. Als Beispiele seien fehlende Sichtbarkeit infolge von Konzentrationsprozessen (auch in der Buchhandlungslandschaft), die stark gestiegenen Herstellungspreise seit der Corona-Pandemie, Inflation, aber auch ein veränderter Medienkonsum des Publikums genannt – die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Was müsste die Politik tun, um die Indie-Verlage zu stärken?

Die Kurt Wolff Stiftung tritt seit Jahren für eine strukturelle Verlagsförderung ein, argumentiert in Gesprächen mit Politikern und Politikerinnen auf Bundes- und Länderebene nachdrücklich für deren Notwendigkeit. Ein entsprechender Prüfauftrag steht auch im Koalitionsvertrag der amtierenden Regierung – leider bisher ohne greifbares Ergebnis. Eine strukturelle Verlagsförderung gäbe den Verlagen Planungssicherheit und würde sie auf diese Weise bei ihrer Programmarbeit unterstützen. Sie trüge dazu bei, den einzigartigen deutschen Buchmarkt dauerhaft in seiner Vielfalt zu erhalten. Eine solche Förderung würde zudem die Existenz zahlreicher Kreativer absichern, die an der Veröffentlichung von Büchern mitwirken. Last but not least bliebe uns allen der unschätzbare und nachhaltige Beitrag erhalten, den viele Indie-Verlage mit ihren Programminhalten zur so dringend notwendigen Demokratiebildung und -stärkung leisten.

Wir drücken die Daumen! Vielen Dank für das Interview.

Indie-Verlage – Was ist das eigentlich?

Independent-Verlage zeichnen sich vor allem aus durch

  • wirtschaftliche und geistige Konzernunabhängigkeit
  • keine wirtschaftliche Haltung der Umsatzmaximierung
  • Jahresumsatz unter 5 Millionen Euro
  • Fokus auf junge oder unbekanntere Autor*innen 
  • weniger mainstream-taugliche Themensetzung und Ästhetik
  • kleinere Reichweite und Gewinnmage
Der Vorstand der Kurt Wolff Stiftung in drei Portraits.
Daniel Beskos © Andreas Hornoff | Dr. Katharina E. Meyer © Roger von Heeremann | Sarah Käsmayr © privat

Der Vorstand

der Kurt Wolff Stiftung besteht seit dem 01. Juni 2021 aus Dr. Katharina E. Meyer (Merlin Verlag, Vorsitzende), Sarah Käsmayr (MaroVerlag) und Daniel Beskos (mairisch Verlag).

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