Schon in seinem Debütroman Weil da war etwas im Wasser hat Luca Kieser bewiesen, dass er ein Meister des Perspektivwechsels ist: Die acht Arme und zwei Tentakeln eines Riesenkalmars erzählten hier eine Geschichte über das Leben unter, aber vor allem auch über Wasser und offenbarten so zutiefst Menschliches.
Weniger ausgefallen ist nun die Erzählperspektive im zweiten, trotzdem nicht minder beindruckenden Roman Pink Elephant. Darin prallen im Sommer der Fußball-WM 2006 Welten aufeinander, nämlich die der Jugendlichen Vincent, Ali und Tarek. Während der Arztsohn abends im Einfamilienhaus mit seinen Eltern Tatort schaut und die bürgerlichen Eltern vor allem um sich und ihren Status kreisen, leben Ali aus Palästina und Tarek aus Syrien im Plattenbau auf der anderen Seite der Stadt ein aufregendes, lautes Leben: Es gibt opulentes Essen, echte Gespräche, aber auch Drogen und Gewalt.
Eine Ausgangslage, die schon durch das erste Aufeinandertreffen der Figuren Spannungen verspricht. Ihren Anfang nimmt die Freundschaft der ungleichen Teenager nämlich in einer Prügelei an der Bushaltestelle, die in einem Täter-Opfer-Ausgleich mit der Polizei aufgearbeitet wird. Für Vincent wird klar: Wer hier Täter und wer Opfer ist, liegt nicht so klar auf der Hand. Und er merkt, dass von Ali und Tarek eine große Faszination ausgeht. Bald nennt er Ali und Tarek seine Brüder, raucht und trinkt mit ihnen und will sich durch Selbstbräuner auch äußerlich anpassen.
Luca Kiesers Roman erzählt von Privilegien, Migration, Rassismus und Zugehörigkeit. Gekonnt setzt sich der Autor mit diesen Themen im Bewusstsein seines weißen Blicks auseinander. Die Erzählung springt zwischen den Zeitebenen und offenbart schon früh, dass die Freundschaft auf eine Katastrophe zusteuert, deren Hintergründe sich erst nach und nach darstellen. Pink Elephant ist ein kluger, entlarvender Roman.
Annika Depping
ist seit einem Praktikum im Sommer 2015 im Team des Literaturhauses Bremen. Inzwischen leitet sie die Textredaktion des Literaturmagazins, organisiert das Kinderlesefestival Galaxie der Bücher und andere Projekte. Für das Literaturhaus ist sie außerdem Teil der Jury zur Vergabe des Bremer Autor*innenstipendiums. Sie hat in Bremen Germanistik mit Schwerpunkt Literaturwissenschaften studiert und liest am liebsten in ihrem Schrebergarten, wenn ihre Kinder ihr dazu die Zeit lassen. Über ihre Leseeindrücke schreibt sie auch im Online-Magazin Bücherstadt Magazin.
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