„Das Radfahren hat für die Emanzipation der Frau mehr getan als irgendetwas anderes auf der Welt“, sagte die US-amerikanische Frauenrechtlerin Susan B. Anthony 1896 in einem Interview. Doch wie kommt es, dass bei der Tour de France noch immer nur Männer mitfahren und in Großbritannien auf eine radelnde Frau zwei Männer kommen? Genau dies beschäftigt die britische Autorin und selbst passionierte Radfahrerin Hannah Ross. In Revolutions erzählt sie die Geschichte des Fahrradfahrens aus weiblicher Sicht.
Von Anfang an mussten Frauen darum ringen, Fahrrad fahren zu dürfen: Anfangs hinderten nicht nur lange Röcke und unpraktische Petticoats Frauen wortwörtlich daran, aufs Rad zu steigen. Beleidigungen und auch körperliche Gewalt waren für die Pionierinnen im späten 19. Jahrhundert an der Tagesordnung. Doch abhalten ließen sie sich nicht. Eindrucksvoll schildert die Autorin, wie die Sufragetten auf dem Fahrrad ihren Kampf für Emanzipation führten. Die wachsende Beliebtheit des Fahrrads führte auch zu modischer Beinfreiheit: Dass Frauen sich für Hosen entschieden, war auch eine Konsequenz des Radfahrens.
So war es kein Wunder, dass Frauen bald begannen, nach Rekorden zu streben. Hannah Ross erzählt unter anderem die Geschichte von Annie Kopchovsky, einer lettisch-jüdischen Bostonerin, die 1894 als erste Frau eine Weltumrundung auf dem Fahrrad versuchte. Der erste Weltrekord für eine Weltumrundung durch eine Frau wurde jedoch erst 2012 aufgestellt. In 152 Tagen umrundete Juliana Buhring aus Italien die Erde. Dass es bis dahin so lange dauerte, ist für Ross auch ein Fall von fehlender Repräsentanz.
Genau diese Lücke möchte sie schließen, in dem sie all den radfahrenden Frauen eine Bühne gibt, die für Freiheit, Selbstermächtigung und Schwesternschaft kämpften. Die Begeisterung der Autorin für ihre Protagonistinnen ist dabei ansteckend: Wer möchte nicht zu einer langen Radreise aufbrechen, nachdem er*sie die Schilderungen von Jenny Graham, der dritten Weltrekordlerin, über ihre Weltumrundung gehört hat? Ross versteht es dabei geschickt, die vielen Anekdoten in den historischen Kontext zu setzen, wie über Marie Curies, die ihre Hochzeit mit einer Radtour feierte. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Frauen auf Fahrrädern nicht nur von A nach B kommen, sondern auch gesellschaftlichen Fortschritt erradeln.
REVOLUTIONS. WIE FRAUEN AUF DEM FAHRRAD DIE WELT VERÄNDERTEN | Hannah Ross | SACHBUCH 2022 | Hamburg mairisch Verlag | 320 S. | €16,00