Lesetipp: Das Bremer Institut für Bilderbuchforschung empfiehlt

Bilderbücher greifen seit einigen Jahren vermehrt Themen einer nachhaltigen Entwicklung auf, lassen dabei aber die besorgniserregende Tendenz erkennen, Kinder zu Weltretter:innen zu stilisieren und ihnen die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft zu übertragen. Statt mit packenden Geschichten werden die Rezipient:innen also mit moralischen Belehrungen konfrontiert, die in erster Linie Überdruss erzeugen – sowohl am Lesen als auch am Weltretten. Höchste Zeit für frischen Wind in der Bilderbuchlandschaft, höchste Zeit für eine Trendwende – höchste Zeit für Frau Leo! 

Das Cover mit Frau Leo und den anderen Tieren im Bus.

Frau Leo ist Leopardin und mit ihrem Leben rundum zufrieden: Sie hat einen Baum zum Schlafen und einen Bus, mit dem sie ihre zahlreichen Fahrgäste jeden Tag zu ihren „Tierterminen“ fährt. Diese Alltagsroutine wird allerdings gestört, als eines Tages ein Auto den Bus überholt. „Sensationell!“ finden das immer mehr Passagiere und folgen diesem Beispiel. Sowohl die Tierfiguren selbst als auch ihre Autos weisen dabei eine große Vielfalt an Erscheinungsformen auf, in denen sich zunächst die mit dem Individualverkehr verbundenen positiven Aspekte niederschlagen, die aber zunehmend durch den kollektiven Stillstand überlagert werden. Für Frau Leo folgt daraus, dass sie allein im Bus in völlig überfüllten Straßen feststeckt und ihr Baum den Demonstrationen für breitere Verkehrswege zum Opfer fällt. „Weg mit dem Schnickschnack!“ steht auf einem Protestplakat, was Frau Leo betroffen zurücklässt: „Dann waren also Frau Leos Baum, Frau Leos Bus und Frau Leo selbst Schnickschnack.“ 

Doch statt zu verzagen, arrangiert sie sich mit den Umständen, pflanzt einen von ihrem Baum geretteten Zweig ein, schläft in ihrem Bus und wartet geduldig ab, während die anderen Tiere wartend und hustend im Stau stehen. 

Als schließlich das erste Blättchen zu sprießen beginnt, hat auch Frau Leo eine Idee, deren Umsetzung und Wirkung nur bildlich erzählt wird: Sie überholt mit einem Fahrrad die stinkenden Autokolonnen – sensationell, oder? Kein Wunder, dass sich die anderen Tiere anschließen, neue Bäume pflanzen und gelegentlich sogar wieder Bus fahren, in dem sie „alle zusammen einen Ort zum Reden haben“. 

Das Buch überzeugt durch eine humorvolle Darstellung der durch Kurzsichtigkeit selbst verschuldeten Probleme und das einfache Credo, auch gegen gesellschaftliche Trends eigenen Visionen zu folgen, um neue Trends zu setzen. 

Elisabeth Hollerweger

FRAU LEO LEGT LOS | Natalia Shaloshvili | BILDERBUCH Knesebeck Verlag | München 2023 | €16,00 | 48 S.


Das Bremer Institut für Bilderbuchforschung

wird von Dr. Elisabeth Hollerweger geleitet und verfolgt das Ziel, die vielschichtigen Potentiale von Bilderbüchern für unterschiedliche Kontexte zu erschließen und sichtbar zu machen. Als universitäre Einrichtung bewegt sich die Arbeit zwischen Forschung, Lehre und Transfer.  

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