Ein Hauch von Jane Austen und Effi Briest? Da mag mein Lesetipper mit seinen Assoziationen ein wenig zu weit gehen, aber ich mag mir diese rührende, dennoch niemals kitschige Leseempfehlung zum Eingang des so richtig schön warm gewordenen Sommers nicht verkneifen, zumal ich auch gleich den geeigneten Ort zur Lektüre mitliefere: nämlich in einem der schönsten Parks Bremens, am Ufer eines der eher ruhigen Gewässers Bremens, der Lesum, deren Name sich auf Lateinisch Lesmona liest, und schon sind wir fast beim Titel angelangt: Sommer in Lesmona. Das Buch ist alles andere als neu, erschienen ist es erstmals 1951, verkauft wurden von ihm bislang an die knappen 250.000 Exemplare. Es gehört unwiederbringlich zum Bremer Literaturkanon.
Und wer diese schöne Liebesgeschichte noch nicht kennt, sollte sich die flott zu lesenden knappen 200 Seiten gönnen. Denjenigen, die die Briefe (daraus ist das Buch komponiert) der beiden 18-jährigen Töchter aus gutbürgerlichen Bremer Hanseatenfamilien zu Ende des 19. Jahrhunderts aus früheren Begegnungen schon kennen, kann ich eine erneute Begegnung durchaus empfehlen. Es ist eines dieser Bücher, die man gut und gerne mehrmals lesen kann und mag.
Geschrieben hat das Buch Marga Berck, wobei es sich um das Pseudonym von Magdalene Pauli, geb. Melchers (1873-1970) handelt, die diese ans Herz gehende, wenn auch (natürlich!) unglücklich endende Romanze mit dem jungen, äußerst attraktiven, entfernt verwandten Cousin Percy Roesner im Sommer 1894 eben in der Villa Lesmona selbst erlebt und sie in ihren Briefen an ihre beste Freundin Bertha Elking, alias Bertha Schellhass (1875-1896) geschildert hat. Dass sie nicht befriedigender weder für Marga, noch für Magdalena ausgehen konnte, das können nur die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse der Kaiserzeit begründen und ihre unsäglichen Auswirkungen auf die Handlungsgrenzen der ihr ausgesetzten Charaktere.
SOMMER IN LESMONA - MÄDCHEN BRIEFE | Marga Berck | Mit einem Nachwort von Hans Harder Biermann-Ratjen | BRIEFE Rowohlt Verlag | Reinbek bei Hamburg Reinbek 1964, 2005 | 192 S. | € 8,99
Guenter G. Rodewald
wurde 1949 in Bremen als Sohn eines Buchhändlers geboren, arbeitete in vielen verschiedenen Berufen, bis er irgendwann im Ostertor- und Steintorviertel im Buchladen im Ostertor den gleichen Beruf wie sein Vater ausübte.
1985 zog er nach Barcelona in Spanien, wo er bis 2016 als Literaturagent arbeitete. Heute lebt er wieder in seiner Heimatstadt, mit seiner ungebrochenen Liebe zu Büchern und zur Literatur.
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