2005 wurde der amerikanische Autor David Foster Wallace gebeten, eine Rede vor dem Abschlussjahrgang des Kenyon College in Ohio zu halten. Vor ihm saßen hunderte junge Menschen, viele noch ideenlos, was jetzt folgen würde auf die Schulzeit, alle auf dem Sprung ins kalte Wasser des Erwachsenendaseins. Das Thema konnte Wallace frei wählen. Er sprach über Wasser, Fische und Eskimos; über überarbeitete Akademiker*innen, überfüllte Supermärkte und stinkende SUV's. Das eigentliche Zentrum: Die Frage, was es bedeutet, zu denken. Kann man denken (an der Uni) lernen? Kann man denken steuern?
„Der Wert wahrer Bildung hat nichts mit Noten oder Abschlüssen zu tun, dafür mit schlichter Offenheit – Offenheit für das Wahre und Wesentliche, das sich vor unser aller Augen verbirgt, sodass wir uns immer wieder daran erinnern müssen: Das hier ist Wasser.“
Um das Motiv des Wassers zu verstehen, musst du das Buch natürlich selber lesen. So viel vorweg: Das hier ist Wasser ist ein wunderbarer Denkanstoß auf 23 Seiten. Eine Art Anleitung zum Perspektivwechsel, zum Andersdenken, zum Sich-selbst-Hinterfragen. In seiner Rede regt Wallace in einfacher, aber eindringlicher Sprache an, fest im Gehirn verdrahtete „Standardeinstellungen“ und „Glaubensschablonen“ zu kappen und sich nicht mehr permanent als das Zentrum des Universums zu begreifen.
Er plädiert für mehr Respekt untereinander, mehr Akzeptanz, Toleranz und Solidarität. Und macht deutlich: Wir alle haben die Freiheit, bewusst zu entscheiden, worüber es sich nachzudenken lohnt. Wie wir die Dinge sehen wollen. Was wir in unsere Gedanken lassen – und was nicht.
Eigene Denkmuster zu hinterfragen kann anstrengend sein. Vermutlich gelingt das nicht jeden Tag. Gerade in Zeiten der Pandemie, in denen der eigene Radius ohnehin immer enger wird, scheint mir das aber aktueller denn je. Deshalb: Klare Lese- und Verschenkempfehlung!
Übrigens gibt es hiervon zwei Ausgaben: Büchergilde-Mitgliedern sei die schöne Ausgabe der Büchergilde empfohlen. Es gibt aber auch eine schöne (und günstige) Ausgabe aus dem Kiwi-Verlag.
Imke Wrage
schreibt auf ihrem Instagram-Account @pageflow über zeitgenössische Literatur. Sie hat Journalistik, Kommunikation und deutsche und tschechische Literatur in Bremen, Hamburg und Prag studiert. Nach einem Abstecher bei der Kreativagentur artundweise arbeitet sie als freie Texterin und Journalistin in Bremen. Das journalistische Handwerk hat sie u.a. beim WESER-KURIER, beim Tagesspiegel und bei der FAZ gelernt. Themen, die sie umtreiben: Feminismus, Diversität, Psychologie, soziale Ungerechtigkeit. Was sie ohne Bücher wäre? Um es mit Erich Fried zu sagen: Vielleicht nicht nichts ohne sie, aber nicht mehr viel.
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