"Zeugenaussage 031
Ich bin noch nie nicht angestellt gewesen. Ich bin dazu geschaffen zu arbeiten...Mein menschlicher Kollege spricht manchmal davon, nicht arbeiten zu wollen, und dann sagt er etwas sehr Merkwürdiges, etwas ganz Albernes, er sagt Man ist mehr als seine Arbeit, oder war es man ist nicht bloß seine Arbeit? Aber was sollte man sonst sein?"
Die dänische Lyrikerin Olga Ravn wirft uns mit ihrem Roman Die Angestellten ins 22. Jahrhundert auf ein Raumschiff mit Menschen, Humanoiden und rätselhaften Gegenständen. Ätherisch-poetisch lesen sich die nüchtern gehaltenen Miniaturen aus dem Weltall. Sphärisch hallen die nummerierten Zeugenaussagen der Besatzung von Schiff Sechstausend in uns wider. Es soll dort untersucht werden, welche Beziehungen die Angestellten mit den Gegenständen haben mit dem Ziel der Steigerung der Arbeitsabläufe und der Produktivität.
Der Plot entspinnt sich durch die Miniaturen hindurch. Es gibt Objekte, organische Gegenstände von einem Planeten, die eine magische Gravitationskraft ausüben. Sie evozieren Träume, Sehnsüchte, romantische Gefühle, Triebe, Wut, die durch die Zeugenaussagen der Angestellten schwirren und die Koordinaten durcheinanderbringen. Es baut sich die Ahnung auf, irgendetwas ist passiert, das alles verändert, der Kontakt zur Homebase, zum Creator ist vom Kurs abgekommen.
Ohne die Künstlerin Lea Gulditte Hestelund würde das Buch nicht existieren, so Ravn. Deren Skulpturen und Installationen wirken organisch, auf eine Art erotisch anziehend und wie aus einer anderen Welt. Ist Die Angestellten in der Tradition von Science-Fiction, Prosa, Popliteratur, Lyrik zu sehen? All das und jenseits davon. Völlig zu Recht ist Olga Ravn der internationale Durchbruch gelungen. In der englischen Übersetzung landete Die Angestellten 2021 auf der Shortlist des Booker Prizes.
DIE ANGESTELLTEN. EIN ROMAN ÜBER ARBEIT IM 22. JAHRHUNDERT | Olga Ravn | Übersetzung: Alexander Sitzmann | ROMAN März Verlag | Berlin 2022 | 143 S. | € 20,00
Katarina Rafailović
liest Gegenwartsliteratur, gerne unabhängig verlegt, aber nicht nur. Sie ist in Bremen aufgewachsen, hat in Berlin Psychologie studiert und in Hamburg ihre Ausbildung zur Psychotherapeutin gemacht, ohne ihre Leidenschaft für Literatur zu vernachlässigen. Vor Kurzem ist sie nach Bremen zurück gekehrt. Bei der Hotlist engagiert sie sich für unabhängig verlegte Literatur, ihr Literaturblog ist unter @kata_____lovic auf Instagram zu finden.
Zum Instagram-Profil von Katarina Rafailović