Kein schöner Begriff: „geistige Behinderung”. Kein zutreffender. Das ist es, was uns das Buch Leichte Sprache von Cristina Morales sofort lehrt. Nach der Lektüre sind wir bessere Menschen. Wir können endlich verstehen. Leichte Sprache, auf Spanisch Lectura fácil, ist ein außergewöhnliches Buch: sprachlich gegenwärtig, textuell vielfältig, thematisch innovativ. Ein mutiges Buch für mutiges Publikum.
Die vier Protagonistinnen, vier Frauen mit funktionaler Diversität1, dekodifizieren für uns ihre Welt voller Hindernisse. Mit hellsichtigen Stimmen stellen sie die Bevormundung durch staatliche Ebenen und die Konsequenzen dar. Eine wahre Reflexion über gesellschaftliche Integration im Barcelona der pre-Pandemie-Zeit, geprägt unter anderem vom Unabhängigkeits- und Frauendiskurs, sowie der Hausbesetzungsbewegung und dem Anarchismus. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem etablierten System: neue Politik versus die alte. Im wahrsten Sinne eine Revolution in der Literatur Spaniens, die den rennomierten 36. Preis Herralde de Novela und den Premio nacional de narrativa 2019 verdient hat.
1 Funktionale Diversität ist ein im Spanischen verwendeter, politisch und sozial korrekter Begriff für Behinderung, für den es im deutschen keine geläufige Entsprechung gibt.
LEICHTE SPRACHE | Cristina Morales | Übersetzung: Friederike von Criegern | ROMAN Matthes & Seitz | Berlin 2022 | 409 S. | €25,00
Mila Crespo Picó
wurde im Dezember 2020 als Direktorin des Instituto Cervantes in Bremen berufen, nachdem sie zuvor die Studienleitung in München und Bukarest inne hatte. Das Instituto Cervantes Bremen ist ein offenes Haus und dient als Treffpunkt für all diejenigen, die sich für jegliche Aspekte der vielseitigen Kultur der spanischsprachigen Länder interessieren.
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