Die Wut, die bleibt von Mareike Fallwickl ist eine Geschichte über den Verlust der Mutter und den Verlust der besten Freundin. Aus zwei Perspektiven wird dieser Verlust eines Menschen beschrieben: Die Autorin wechselt von der Perspektive der besten Freundin zur Perspektive der pubertierenden Tochter. Die Geschichte beginnt direkt mit dem Tod der Mutter. Es eine ganz alltägliche Situation, aus der heraus die Entscheidung zum Freitod fällt – beim Abendessen stürzt sie sich aus dem Fenster. Die Geschichte ist sehr in unserer westeuropäischen Gesellschaft verankert und spielt mit den Nöten, die in der Zeit des Lockdowns durch Corona entstanden sind. Im Zentrum steht das feministische Aufbegehren gegen das noch in vielerlei Hinsichten bestehende Patriarchat.
Mareike Fallwickl spitzt in diesem Buch die Situationen zu. Das macht die Geschichte extrem spannend und gleichzeitig wurde ich sehr zum Nachdenken angeregt. In anderen Rezensionen wird beschrieben, wie nah die Geschichte an der Realität sei. Das kann ich aus meiner Perspektive nicht bestätigen. Zum Beispiel wird beschrieben, dass die beiden Freundinnen, obwohl eine drei Kinder hat und die andere keine, täglich über Handy im Austausch sind. Das halte ich aus meiner Lebenserfahrung für unrealistisch.
Auch die Gewaltentwicklung der Tochter mit anderen weiblichen Jugendlichen fühlt sich für mich fast unrealistisch provoziert an. Aber genau deshalb hat mich dieses Buch sehr beschäftigt, weil es mich herausfordert, meinen Blick auf die Gesellschaft zu schärfen.
Mein absolutes Lieblingsbuch, wenn es um das Thema Verluste geht, ist Der Salzpfad von Raynor Winn. Es ist ein autobiografisches Buch und beschreibt Raynor und ihren Mann Moth auf ihrer beschwerlichen Wanderung entlang des South West Coast Paths, Englands bekanntestem Küstenweg. Alles, was Raynor und Moth noch besitzen, passt in einen Rucksack. Sie haben alles verloren – ihr Zuhause, ihr Vermögen und Moth seine Gesundheit. Mit einem kleinen Zelt machen sie sich auf, den gesamten Coast Path, 1000 Kilometer, zu wandern.
„‚Du kannst nicht krank sein, ich liebe dich doch!‘ Als wäre es genug, ihn zu lieben. Es hatte immer genügt, mehr hatte ich nie gebraucht, aber jetzt würde es uns nicht retten.“
Auf der Wanderung sind die Nächte wirklich dunkel, die Natur ist wild, man ist abseits der Zivilisation. Diese Geschichte ist so archaisch, so berührend! Sie ist eine Liebesgeschichte, ein Liebesbrief an das Leben, an Raynor Winns Mann und vor allem an die Kraft der Natur. Das Buch hat mich so in seinen Bann gezogen, dass ich das Gefühl hatte, mit auf dieser Reise zu sein. Das war sehr ergreifend und tat so gut, als wäre man mit ihnen allein auf die Natur zurückgeworfen, im Rauschen von Wind und Wellen.
Svea M. Auerbach
ist seit 2004 Mitglied der bremen shakespeare company. Derzeit spielt sie zehn verschiedene Stücke mit über 20 Rollen, darunter zum Beispiel das internationale Projekt We are Hamlet oder die Medea in Euripides. Sie ist auch für die schulpädagogische Arbeit des bsc zuständig und kreiert neue spielerische Module zwischen Schule und Theaterarbeit.
Svea M. Auerbach wuchs im Schwarzwald auf. Mit 16 Jahren verbrachte sie drei Monate im Rahmen eines Schüleraustauschs in Sydney und entdeckte ihre Leidenschaft für die englische Sprache. An der Filmuniversität Berlin Babelsberg studierte sie Schauspiel und sammelte Filmerfahrung, gastierte aber auch an verschiedenen Theatern in Berlin und Potsdam.