Kurz nach Kriegsbeginn traf ich auf meinen Bahnfahrten die ersten ukrainischen Flüchtlinge. Eine Begegnung bleibt mir in besonderer Erinnerung: eine junge Mutter mit ihren beiden Töchtern. Die Kleine im rosa Kleidchen, Diadem im Haar, eine Beule auf der Stirn. Ihre Schwester zeichnete versunken Raketen in Rosa, Hellblau und Orange. Wir übersetzten Wörter. Später falteten wir gemeinsam Boote.
Wie es der Familie wohl heute geht?
Im Sommer kam ich in Bremen mit einer Ukrainerin ins Gespräch: ein Regenguss, vor dem wir uns an der Domsheide unter das Dach eines Cafés flüchteten. Während des Wartens versuchten wir, uns zu verständigen. Die Frau bedankte sich bei mir für die große Hilfe, die Deutschland leiste. Peinlich berührt, erzählte ich ihr von meinem Gefühl der Ohnmacht, wenn ich Reportagen aus der Ukraine sehe. Als sie hörte, dass ich mich täglich über die Lage der Menschen in ihrer Heimat informiere, umarmte sie mich. In diesem Moment verstand ich, wie wichtig es für sie ist, dass wir Anteil an ihrem Leid nehmen. Dass wir sie nicht vergessen.
Die Moral der Ukrainer*innen wird von uns allen bewundert. Das Mindeste, was wir tun können, ist hinsehen.
Betty Kolodzy
ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und Kommunikationswirtin. Sie verfasst Romane und Erzählungen, leitet Schreibworkshops an der Uni, in Flüchtlingswohnheimen, Schulen, Hochschulen und Museen. Aktuell realisiert sie ein Projekt mit der Bremer Seemannsmission und begleitet einen neuen Schulhausroman in Kooperation mit dem Literaturhaus Bremen. Außerdem nimmt sie an der Bremer Fortbildung Künstlerische Interventionen in Schule teil.
Zuletzt erschien ihre Short Story Denk ich an Elster im Hamburger Literatur Quickie Verlag.
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