Lesezeichen: Laura Morgenthaler García [DE]

Ein Milan fliegt über einem Gebirge vor dunkelgrauen Wolken.
© Rike Oehlerking

Dazugehören
von Laura Morgenthaler García

Dazugehören.
S e i n,
von hier nicht, von dort nicht,
sondern von überall dort,
wo meine Augen den fernen Flügelschlag
der Kalanderlerchen hören, die immer,
i m m e r,
i m m e r gen Süden ziehen
                       in der Flugspur der Adler

Wolltest du einmal, wolltest du etwa - frage ich -
als Lerche zu den Meridianen fliegen
oder in den Mundwinkeln verweilen,
just dort, wo das Lächeln geboren wird,
als du noch mit dem ursprünglichen  Staunen
eines Kindes blicktest
das zum ersten Mal eine Fliege sieht,
            einen Baum,
                                                                              eine Flamme?
Dazugehören.
S e i n,
von hier nicht, von dort nicht,
sondern von beiden Seiten des Bettes,
dem besetzten, dem besessenen,
oh ja, besessen
von deiner Abwesenheit und mir
die ich hindurchfalle 
f
a
l
l
e
zu jener Kuhle, die deine die Laken zerwühlenden Schenkel hinterlassen
(wie in Jemand bringt diese Rosen in Unordnung),
oder geht es vielleicht aufwärts, 
ist gar feuriges Fanal,
ein Aufsteigen der Wolken, daran dieser Norden Anker wirft,
als wolle er hinüberwechseln zu einer ersten und einzigen Sonne. 
Wundervoll.

Dazugehören,
S e i n,
von hier nicht, von dort nicht,
sondern von allen Seiten
der schwebenden Phantasieräume,
wo wir Pakte jenseits der Orte schließen
im Flügelschlag gen Süden, immer,
i m m e r gen Süden,
in der Flugspur der Adler.


Heute will ich nicht Penelope sein
von Laura Morgenthaler García

Verlasse Ithaka, Penelope, auch das Meer ist dein.

Carmen Losa

Heute,
heute ist es einfach so. dass ich nicht Penelope sein will.
Es ist einfach so,
es ist so, dass ich heute auf der Suche nach dem anderen Ithaka bin,
immer auf steter Segelfahrt zu mir selbst,
zu den Saatperlen, die sich mir unter den Wellen festgesetzt haben.
Heute,
heute will ich nicht Penelope sein.
Heute nicht und an keinem weiteren Tag.
Auch morgen nicht
und nicht in einem Jahr,
auch nicht in den klammheimlich offenen Jahrtausenden,
denn heute
           heute bin ich schon.

Übersetzungen von Reiner Kornberger für das Literaturmagazin Bremen


Laura Morgenthaler García

wurde 1979 auf Teneriffa geboren. Sie studierte Allgemeine und Spanische Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität La Laguna in Spanien. Im Jahr 2000 zog sie mit einem Promotionsstipendium nach Bremen, wo sie im Bereich der Soziolinguistik ihre Doktorarbeit abschloss. Ihre sprachwissenschaftlichen Arbeiten wurden vielfach gefördert und ausgezeichnet. Nachdem sie viele Jahre lang Gedichte geschrieben hat, veröffentlichte sie 2022 La esfera intacta (Die intakte Sphäre) in Barcelona. Im Jahr 2023 erschien ihr zweiter Gedichtband Argentías (Silberlichten) in Spanien, Kolumbien und Mexiko. Sie hat Gedichte in Literaturmagazinen in Spanien, Deutschland, Mexiko, Peru und Ecuador veröffentlicht und ist Herausgeberin der internationalen Zeitschrift Revista Trasdemar de Literaturas Insulares (Trasdemar, Zeitschrift für insulare Literaturen). Laura Morgenthaler ist derzeit Professorin für spanische Sprachwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und lebt in Bremen

Zum Autorinnenprofil von Laura Morgenthaler García

Ein Portrait der Autorin Laura Morgenthaler García vor gelbem Hintergrund.
© privat

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