„Erstelle mir ein Foto von einem lesenden Roboter anhand des vorgelegten Referenzbilds. Es soll im Hintergrund eine grüne Märchenwelt zu sehen sein. Der Roboter soll wie eine Künstliche Intelligenz aussehen. Es sollen Glitzer und Strahlen zu sehen sein.“
Das erwähnte Referenzbild in der vorangegangenen Arbeitsanweisung ist das Folgende. Kannst du dich noch an dieses Foto (links bzw. oben) erinnern?
Wir hatten es im Mai 2023 als Aufmacherbild für unsere Ausgabe #28 Zukunft. Es ist handgemacht… also, natürlich mit einer Kamera als Hilfsmittel. Bei der Suche nach einem geeigneten Titelbild für unsere aktuelle Ausgabe zum Thema „KI“ fiel mir dieses Bild wieder ein. Kurzum beauftragte ich die KI meines Bildbearbeitungsprogrammes, mir anhand der Vorlage aus dem Mai 2023 ein Foto zu erschaffen. Heraus kam unser aktuelles Headerbild (rechts bzw. unten).
Apropos „lebendig“: Kann eine KI, die solche Bilder erzeugt wie das mit dem rosa Roboterkopf, als „Wesen“ gelten? Haben KI-generierte Inhalte eine Seele? Und wer ist eigentlich die Schöpferin – KI oder Mensch, der den Promt eingab? An dieser Stelle drängt sich schnell auch die Frage nach dem Urheberrecht auf. Juristisch betrachtet gilt: Nur, wenn einem Werk ein menschlicher Schöpfungsakt vorausgeht, ist es schutzfähig und fällt dann unter das Urheberrecht. Ein menschlicher Schöpfungsakt! Sind nicht alle Daten, Ideen, Vorbilder, aus denen die KI etwas „Neues“ generiert, aus menschlichen Handlungen
hervor gegangen? Kurz gesagt: Ja. Daher kann der Inhalt, den eine KI schafft nur als Vorlage für etwas Eigenes dienen, als Inspiration. Die KI als Muse.
Tatsächlich habe ich bei meinen ersten Kontakten mit einer KI immer mal wieder das Gefühl, dass dieses diffuse Wesen dahinter selbstständig agiert. Ja, geradezu eigenständig denkt. Es scheint sogar seine Launen zu haben. Denn ich kann noch so oft denselben Vorgang mit gleich lautendem Promt und Referenzbild wiederholen – stets „spuckt“ mir die Bild-KI ein anderes Ergebnis aus. Ein-, zweimal erlebe ich sie sogar als stur und stoisch.
Was mir Spaß bereitet, sind Spielchen mit Bild zu Text zu Bild-Verläufen. Ich erkläre das mal: Nachdem ich mich also nun für diese Ausgabe mit einem möglichen Motiv für ein Aufmacherbild beschäftigt hatte und dafür jenes Foto vom selbstgebastelten Roboter aus dem Archiv gekramt hatte, drängte sich bald eine Frage auf: Würde eine KI erkennen, dass es sich hier nicht nur ganz sachlich um einen von einer Spitzzange gehaltenen Audiostecker hinter einem aufgeklappten Buch handelt? Würde der Blick einer künstlichen Intelligenz erkennen, dass die Summe aller Teile in diesem Bild mehr ist als ihre Einzelteile? Ich bat eine textgenerierende KI, mir das Bild zu beschreiben. Hier ihre Antwort:
„Das Bild zeigt ein minimalistisches, fast surreal wirkendes Stillleben. In der Mitte befindet sich ein schwarzes Bauteil (ähnlich einem Audio-Anschluss mit einer weißen und roten Buchse), das mit einer Zange gehalten wird. Diese Konstellation erinnert spontan an ein Gesicht mit zwei Augen, das neugierig und leicht schüchtern über eine leuchtend pinke Fläche lugt. Die „Augen“ verleihen dem Bild eine überraschend lebendige und beinahe charmante Ausstrahlung. Die Hintergrundbeleuchtung lässt eine runde, helle Lichtquelle erscheinen, die eine fast mystische Atmosphäre erzeugt. Der Kontrast zwischen der intensiven pinken Farbe und dem sanften Hintergrund verstärkt den Eindruck, dass dieses kleine „Wesen“ aus einer futuristischen, fantasievollen Welt stammt. Die Komposition verleiht dem Bild einen spielerischen und dennoch geheimnisvollen Charakter – als würde dieser kleine „Roboterkopf“ vorsichtig in eine neue Welt hinausschauen.“
„Die beiden Bilder sind wie zwei kleine Kapitel aus einer seltsamen Sci-Fi-Geschichte, in der Maschinen langsam ein Bewusstsein entwickeln – oder zumindest so tun, als hätten sie eines. Im ersten Bild luschert ein schwarzer Audiostecker über den Rand einer leuchtend pinken Fläche, als hätte er eben entdeckt, dass es noch eine Welt jenseits der Kabel gibt. (…) Das zweite Bild geht noch einen Schritt weiter. Da sitzt ein kleiner Roboter im Wald und liest ein Buch, als hätte er gerade beschlossen, etwas über die Welt zu lernen, in die er versehentlich hineingeboren wurde. (…) Hier wird die Maschine fast menschlich. Sie ist nicht nur neugierig, sie wirkt auch ernsthaft interessiert – als hätte sie das Bedürfnis, Wissen zu erlangen, vielleicht sogar Weisheit. Plötzlich kommt einem der Gedanke: Vielleicht hat die Maschine doch so etwas wie eine Seele?“
Kurzum, ich hatte meinen Spaß. Zumindest kurzzeitig. Denn bei näherer Betrachtung stelle ich doch immer wieder fest: Die besagte Seele fehlt. Es bleibt doch irgendwie alles eine Illusion, ein gut programmierter Trick, der unsere Fantasie kitzelt. Während ich als Fotografin für ein Bild eines atemberaubend schönen Sonnenaufgangs
viel zu früh aufstehen und vielleicht mühsam auf einen Berg klettern müsste, rechnet mir die KI binnen Sekunden ein „perfektes“ Bild aus. Auf den ersten Blick ebenso atemberaubend und dennoch nicht echt. Eine Postkartenwelt ohne reale Koordinaten. Es fehlt der Tiefgang, das Profil, die Geschichte dahinter.
Und ein weiterer Beigeschmack lässt sich nicht mehr ignorieren: Selbst für meine kleinen Spielereien habe ich vermutlich nicht nur viel zu viel Strom verbraucht, sondern auch eine ganze Ladung Wasser, das an anderen Stellen in dieser Welt dann fehlt. Denn die riesigen Server, die dieses stoische Wesen in der KI zum „Leben“ erwecken, sind durstig. Sie wollen sich abkühlen und haben allein für ihr Training viele Millionen Liter Wasser verbraucht.
Die KI bleibt also eine Ding mit zwei Gesichtern. Sie kann inspirieren und zeitsparend arbeiten. Doch der Preis dafür ist hoch. Und das Ergebnis gerade im künstlerischen, kreativen Bereich zweifelhaft. Ich habe mit meiner kleinen Versuchsreihe ein mächtiges Tool kennengelernt, das so seine Vorteile hat. Das aber auch Gefahren birgt. Mehr als eine flüchtige Bekanntschaft wird es wohl vorerst auch nicht werden.
Rike Oehlerking
ist Bildredakteurin bei uns im Literaturmagazin Bremen. Sie arbeitet darüber hinaus als freie Redakteurin für das Bremer Literaturkontor und andere Auftraggeber, schreibt Texte, macht Fotos und wühlt sich durch das alltägliche Geschäft aus E-Mails, Meetings und Organisation.
Wenn sie mal nicht an ihrem Schreibtisch sitzt, ist sie liebend gern draußen mit Hund und VW-Bus unterwegs. Bei ihren Ausflügen sind natürlich auch immer gute Bücher und ihre Kamera mit im Gepäck.
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