Feuer
Im Wohnzimmer steht ein Ofen, auf dem auch gekocht werden kann. Die richtige Bezeichnung ist Küchenhexe. Die Scheite, die wir aus dem Holz schlagen, das wir bei der Försterin gekauft haben, passen genau hinein. Meist stapeln wir zwei Scheite übereinander. Das Holz verbrennt schnell. Wir legen oft nach. Die Kinder wollen alles wissen, wir erklären ihnen, dass das Holz früher mal Bäume waren. Aber die müssen Jahre wachsen, stellen die Kinder fest, und ihr verbrennt einen Scheit in einer halben Stunde.
Kram
Nur wenige der Dinge, die sich im Haus befinden, sind neu. Das meiste war schon da. Oder wir haben es gebraucht gekauft. Oder gefunden. Oder aus Verschenke-Kisten und Läden mitgenommen. Nichts scheint aufeinander abgestimmt. Wir verfolgen kein Konzept. Vor allem achten wir darauf, dass die Dinge funktional sind. Aber zwei Stühle, die sehr hässlich waren, haben wir dann doch verbrannt, obwohl man noch hätte auf ihnen sitzen können. Sie haben lichterloh gebrannt. Das Feuer sah in dem Moment aus wie eine Skulptur.
Refugium II
Es gibt ein großes, schweres Eisentor. Wenn es geschlossen ist, ist das Grundstück von der Straße nicht betretbar. Im Ernstfall können wir uns hier verbarrikadieren, scherzt eine von uns. Wir lachen. Aber innerlich erschaudern wir auch. Das im Ernstfall hallt in unseren Köpfen nach. Später schauen wir jede für sich nach, wie lange es dauern würde, von der Stadt hier her zu gelangen. Mit dem Auto, dem Fahrrad, zu Fuß. Die Angabe „mit kleinem Kind“ kann man nicht machen, obwohl es auch einen Einfluss darauf hat, wie lange man für eine Strecke braucht. Vor allem, wenn das Kind noch getragen werden muss.
Wild
Eine von uns hat einen Jagdschein. In der Morgen- oder Abenddämmerung steigt sie in unseren Transporter und fährt davon. Bisher ist sie immer mit leerem Kofferraum zurückgekommen. Wir haben die Kühltruhe trotzdem schon einmal aufgestellt. Wenn alles still ist, hört man sie summen.
Insekten III
Mit den Kindern fahren wir mit dem Auto zum See. Auf der Landstraße beschleunigen wir. Früher, sagen wir, wären dabei lauter Fliegen auf der Windschutzscheibe zerplatzt. Wissen sie jetzt, dass sie sich von den Straßen fernhalten sollen, fragen die Kinder. Wir schütteln den Kopf und bleiben ihnen die Antwort schuldig.
Feuer II
Im Radio wird von Waldbränden berichtet. Seit Wochen hält sich die Hitze. Selbst in der Nacht, kühlt es nicht ab. Wir haben unsere Bettdecken in der Truhe im Flur verstaut und schlafen nur unter den Bezügen, aber selbst das ist zu warm. Als wir zurück in die Stadt fahren, passieren wir einen Wald mit rußgefärbten Kiefern. Scharfkantig stechen die Stämme in den wolkenlosen Himmel. Das Unterholz ist nur noch Asche. Niemand von uns sagt ein Wort.
Wald
Wir treffen die Försterin zufällig bei einem Spaziergang. Sie erzählt uns, dass es jetzt wieder einen Wolf im Wald gibt. Er wurde bereits mehrmals gesichtet. In den folgenden Nächten wollen die Kinder, dass wir ihnen vor dem Einschlafen Geschichten vom Wolf erzählen. Sie haben vor nichts Angst. Wir sind diejenigen, die die Türen doppelt abschließen.
Obst III
Im Frühling finden wir im hochstehenden Giersch austreibende Himbeeren. Wir entfernen das Unkraut und binden die Ranken an Äste, die wir im Wald gesammelt haben, damit sie mehr Stabilität haben. Mit den Kindern malen wir uns aus, was wir alles mit den Früchten anstellen werden. Marmelade, Kuchen, Gelee, Schorle. Aber im Sommer finden wir keine einzige Frucht an den Zweigen. Wir hoffen auf den nächsten Sommer.
Bäume II
Der schönste Baum auf dem Grundstück ist eine Espe, auch Zitterpappel genannt, im hintersten Teil des Gartens. Sie ist höher als die Bäume im Wald. Vielleicht stand sie hier schon, als noch Braunkohle abgebaut wurde. Wir können Stunden damit zubringen, zuzusehen, wie der Wind in die Blätter fährt. In einem Buch lesen wir, dass sie eine der wichtigsten Futterpflanzen für die in Mitteleuropa heimischen Schmetterlinge ist. Ein paar Meter neben dem Baum steht eine Birke. Ihre Äste sind seit dem Frühling kahl. Auch im Wald stehen überall tote Birken. Manchmal, wenn wir im Garten sitzen, hören wir, wie eine von ihnen umfällt. Das Krachen ist gewaltig.
Hitze
Ständig verrücken wir im Garten den Tisch, auf der Suche nach Schatten. Aber die Sonne wandert. Auf dem Grundstück sind die Bäume zu klein oder zu weit weg. Früher gab es einen großen, alten Kirschbaum in der Mitte, aber jetzt steht nur noch der Stamm. Die, die vor uns hier gewohnt haben, erzählen uns, dass er eine Krankheit hatte und gefällt werden musste. Ich lege mir ein nasses Handtuch um die Schultern und hocke mich in die inzwischen schulterhoch stehenden Brennnesseln. Nur hier ist es kühl. Das Wetter macht uns alle benommen. Selbst die Vögel sind still.
Geld
Im Wald finden wir eine Kiesgrube. Die Kinder buddeln im Sand. Wir sitzen im Moos und erzählen Geschichten. Als wir das nächste Mal dorthin kommen, gibt es grobe Reifenspuren im Boden. Ein Teil des Kieses fehlt. Wir stellen uns vor, wie Menschen aus dem Dorf heimlich nachts mit ihren Autos hierherkommen und den Kies abtragen.
Helene Bukowski
wurde 1993 in Berlin geboren und studiert zurzeit Literarisches Schreiben und Lektorieren in Hildesheim. Sie ist Co-Autorin des Dokumentarfilms Zehn Wochen Sommer, der 2015 den Grimme Sonderpreis Kultur erhalten hat, und war 2016 zur Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin eingeladen. Ihre Texte erschienen in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien und sie war Mitherausgeberin der BELLA triste. Milchzähne (Blumenbar 2019) ist ihr erster Roman. Im Jahr 2021 leitet Helene Bukowski das Projekt Bremer Schulhausroman an der Bremer Oberschule in den Sandwehen.
Zum Autorinnenprofil von Helene Bukowski