Simon Lokarno ist Sänger, Filmemacher und Autor. Zuletzt durfte er seinen Science-Fiction Roman Opus Eins auf der Leipziger Buchmesse vorstellen. Im Interview mit Malte Hahs verrät er, wie er selbst in die Zukunft blickt, welche Rolle Realitätsdesginer in der Zukunft spielen könnten und was für ihn den Reiz an Science-Fiction ausmacht.
In Opus Eins zeichnest du ein dystopisches Bild des Jahres 2200. Mit welchem Gefühl blickst du persönlich in die Zukunft?
Ich habe das Gefühl, dass wir Menschen unsere Chance auf dem Planeten vertan haben. Und dass erst unsere evolutionäre Ablösung echten Fortschritt in galaktischen Skalen bringen wird. Ich denke, dass der Mensch nur ein Übergang ist. Da er im kosmischen Sinne nie eine Rolle spielen kann. Er ist einfach nicht für das Weltall, die Entfernungen und die Zeiträume, die das Überwinden dieser nötig machen würde, gedacht. Erst KIs und Roboter werden auf kosmischer Ebene etwas bewirken können. Sie werden die Beschleunigungen aushalten, und sich über Jahrhunderte abschalten können, um sich dann am Ziel wieder zu aktivierten. Der Mensch ist nicht fürs All gemacht.
Der Protagonist der Geschichte ist der Realitätsdesigner Link. Was genau tut ein Realitätsdesigner?
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In meiner Dysto-/Utopie haben alle Menschen einen Chip eingepflanzt, der die Welt mit einer Augmented Reality überzieht. Die Dinge sind noch die Dinge, aber sie sind digital überzeichnet. Eine Welt der AR-Filter. Und da die Welt in der Zukunft von Umweltkatastrophen zerstört und die Menschen von einer Nanoseuche entstellt sind, zeichnet uns die herrschende KI eine wunderschöne Disneywelt über die Hölle, die sie in Wahrheit ist. Alle Menschen sind schön und leben in virtuellem Luxus. Es sei denn, sie sind nicht fügsam. Dann werden ihre Filter deaktiviert und ihren Mitmenschen wird ihre wahre hässliche Fratze entblößt. Ein Realitätsdesigner ist hier wie ein digitaler Maler, der die hässliche Fassade der Welt nach seinem Gutdünken umgestaltet und überstreicht.
Der Roman beschäftigt sich auch mit KI – einem Thema, das nicht aktueller sein könnte. Glaubst du, in ein paar Jahren schreibt KI Science-Fiction-Romane?
Ja, das sehe ich leider so. Und diese Entwicklung hat mich auch völlig überrascht. War es doch der Plan, dass Digitalisierung und Automatisierung dem Menschen die Zeit für Kreativität und Muse bringt, wird uns nun zuvor die Kreativität weggenommen, sodass wenn unsere Arbeitsplätze verschwinden, wir gar keinen Sinn mehr haben. Vielleicht werden wir noch, durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen, ein paar Jahrzehnte als Konsumautomaten fungieren dürfen, aber letztendlich haben wir unsere eigene Ablösung eingeleitet. Die Menschheit schafft sich selbst ab.
Science-Fiction ist seit Jahren ein beliebtes Genre. Was ist deiner Meinung nach besonders interessant daran?
Naja, der Bezug zur Realität. Das prognostische Element. Der Moment, wo wir sagen, ja genau so könnte es werden, ist höchste philosophische Erkenntnis. Wenn ich mich in Mittelerde verliere, ist das schön und gut, aber in meiner Dystopie stecken Elemente, die vielleicht wirklich eintreten werden. Sich damit auseinanderzusetzen heißt, sich als Mensch besser zu verstehen. Fantasy ist Flucht, Science-Fiction ist Therapie (lacht).
Trotzdem hatte Science-Fiction ja lange einen eher schweren Stand. Ändert sich die Wahrnehmung des Genres langsam?
Ich weiß nicht. Also in Serien und Filmen sehe ich einen starken Trend in Richtung Science-Fiktion, aber wenn ich in einen Buchladen gehe, ist da meistens ein schmales Regal, dass sich die SF mit Fantasy und Horror teilen muss. Das finde ich sehr bedauerlich. Ebenso ist es mit Philosophie, die wird auch sehr stiefmütterlich behandelt. Aber Ratgeber, wie ich mein Mindset so aufstelle, dass ich in einem Monat 6000 Euro verdienen kann, decken ganze Regalreihen ab. Ich würde mir noch viel mehr Aufmerksamkeit für die SF-Romane wünschen. Wenn ich sage, ich habe einen SF-Roman geschrieben, ernte ich auch regelmäßig skeptical side eyes. Lest mehr SF! Das tut nicht weh! (lacht)