Weltliteratur und Wertschätzung

Schlaglichter auf einen besonderen Literaturpreis und seine Verbindung nach Bremen

Von Robert Hodonyi

Der International DUBLIN Literary Award feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen und würdigt seit 1996 herausragende Werke der Weltliteratur. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem Édouard Louis, Herta Müller, Orhan Pamuk, Emily Ruskovich oder Alice Zeniter.

Die Romane müssen auf Englisch geschrieben oder in einem bestimmten festgelegten Zeitfenster ins Englische übersetzt worden sein. Mit einem Preisgeld von 100.000 Euro zählt er zu den höchstdotierten internationalen Literaturpreisen weltweit. Werden Übersetzungen prämiert, erhält der Übersetzer 25.000 EUR vom Preisgeld. Somit honoriert und wertschätzt der Dublin Literary Award nicht nur die Kunst des Schreibens, sondern auch die des Übersetzens. 

Bemerkenswert ist ebenfalls der einzigartige Nominierungsprozess: Öffentliche Bibliotheken aus aller Welt schlagen Titel für die Longlist vor, was die globale Reichweite und Wahrnehmung des Preises unterstreicht. Deutlich wird die wichtige Rolle von Bibliotheken als Institutionen der Literaturvermittlung, aber auch als Akteure der Sichtbarmachung lokaler und regionaler Literatur(en) für ein internationales Publikum. Kultureller Austausch und Vielfalt werden so befördert. 

Für den Dublin Literary Award 2025 haben 83 Öffentliche Bibliotheken aus 34 Ländern insgesamt 71 Titel nominiert; darunter 26 Übersetzungen aus Sprachen wie Koreanisch, Farsi, Isländisch und Slowenisch. Bei der Vorstellung der Longlist betonte die Schirmherrin des Preises, Dublins Oberbürgermeisterin Emma Blain (Fine Gail): 

„For over 30 years The Dublin Literary Award has connected readers through the best of fiction from around the world. I am delighted to see that this year’s longlist continues to reflect the breadth of imagination we associate with the award showcasing cultures, traditions and unique perspectives.“

Eine prominent besetze Jury wählt daraus eine Shortlist, die am 25. März und der Gewinnertitel dann am 22. Mai 2025 bekannt gegeben werden.

Als Stadtbibliothek Bremen haben wir ebenso wie die Zentralbibliothek Zürich den Künstler- und Wenderoman Stern 111 von Lutz Seiler (bzw. Star 111 in der Übersetzung von Tess Lewis) für die Longlist nominiert. 

Das Werk, das im Jahr 2020 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, zeichnet ein transformtives Panorama der Nachwendezeit in Deutschland. Es erzählt die Geschichte von Carl Bischoff, der nach dem Mauerfall nach Ost-Berlin zieht und dort in die dissidente Bohèmeszene und das militante Hausbesetzermilieu im Prenzlauer Berg der frühen 1990er-Jahre eintaucht. Auch „Kruso“ aus dem gleichnamigen Vorgängerroman hat seine Auftritte. Der Roman beschreibt gesellschaftlichen Wandel nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus und den damit verbundenen Verlust alter Werte und Gewissheiten. Er spielt in einer radikal offenen Zwischenzeit, in der das Alte weg und das Neue noch nicht sichtbar ist. Ein Zeitgefühl also, das uns auch heute nicht ganz unbekannt ist.

Das Cover von Lutz Seilers Roman zeigt ein Fenster.

Das Bild zeigt Robert Hodonyi vor einem Bücherregal.
© privat

Robert Hodonyi

hat Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Neuere und Neueste Geschichte in Dresden und Berlin studiert. Er promovierte 2010 an der TU Dresden mit einer Arbeit über Architektur und Literatur in der Berliner Moderne. Er arbeitet als Lektor in der Stadtbibliothek Bremen. Hier ist er unter anderem für die Internationale Romanbibliothek, die Kuratierung der digitalen Plattform Overdrive und für den Dublin Literary Award zuständig.

Weiterlesen: