Die Buchhandlung Storm wird im April 125 Jahre alt. Im Interview hat Alexandra Rempe mit Annika Depping über eine lange Geschichte, die Renovierung und frischen Wind gesprochen.
Herzlichen Glückwunsch, liebe Frau Rempe, die Buchhandlung Storm wird 125 Jahre alt! Wie fühlt sich das an, auf eine so lange Geschichte zurückzublicken?
Es fühlt sich total gut an. Einfach nur schön! Ich freue mich sehr, dass ich an der Geschichte Storms mittlerweile teilhaben darf. Wir haben jetzt ganz viel recherchiert, weil wir anlässlich des Jubiläums eine Festschrift herausbringen wollen. Leider war es bei Storm bisher so, dass die Buchhandlung nicht von Generation zu Generation weitergegeben wurde, sondern dass es viele Inhaber*innenwechsel gab. Dabei ist leider auch viel Geschichtliches verloren gegangen. Storm war ja nicht immer in der Langenstraße 11.
Als Johannes Storm die Buchhandlung gegründet hat, war sie Am Wall 163 und ist beispielsweise von dem Worpsweder Künstler Vogler eingerichtet worden. Davon gibt es überhaupt keine Bilddokumente mehr, was sehr, sehr schade ist. Dafür haben wir einen ganz kleinen Zeitungsartikel gefunden. Wir haben in den Archiven der Bremer Nachrichten, des Weserkuriers, des Staatsarchivs hier in Bremen und in den Archiven des Börsenblatts recherchiert und haben da kleine Beschreibungen gefunden, die man in der Festschrift wiederfindet. Das waren natürlich total tolle Erlebnisse.
Wo war die Buchhandlung Storm noch überall zu Hause?
Wie gesagt, Am Wall 163 hat sie zum ersten Mal geöffnet und ist dann irgendwann an den Domshof umgezogen. Das muss zwischen den beiden Weltkriegen gewesen sein. Dann ist sie leider im Zweiten Weltkrieg ein Opfer der Bomben geworden. Dann wiederum war sie mindestens fünf Jahre in einer Maisonettewohnung in der Händelstraße in Schwachhausen. Danach hatten sie für zwei Jahre eine kleine Dependance an der Weide 3 und dann ist die Buchhandlung in die Obernstraße gezogen. Schließlich wurde hier in der Langenstraße die Hausnummer 10 gekauft. Darin war die Buchhandlung über zwei oder drei Etagen groß und damals die flächenmäßig größte Buchhandlung in Bremen. Da war Herr Nehen schon der Inhaber der Buchhandlung. Er hatte sie 1970 übernommen und hat sie Stück für Stück erweitert. Er hat noch ein Antiquariat in der Hakenstraße gegründet, hat die Buchhandlung Melchers gekauft, weitere andere Sortimente aufgekauft und so ist Storm immer größer geworden und hatte zeitgleich verschiedene Standorte.
Leider wurde irgendwann das P&C-Gebäude umgebaut und der Zugang zur Langenstraße für die Laufkundschaft so erschwert, dass ganz viele Kunden einfach weggebrochen sind. Herr Nehen musste Insolvenz anmelden. Dadurch ist auch das Haus in der Langenstraße 10 geschlossen worden. Er hatte aber vorher schon die Langestraße 11 dazugekauft und sie die „Belle Etage“ genannt. Während man in der Langenstraße 10 eher den Sachbuch-Bereich gefunden hat und auch das naturwissenschaftliche und die Reise, so gab es in der Langenstraße 11 die Geisteswissenschaften, die Literatur, die Bildbände, die Kunst – daher die „Belle Etage“. Die „Belle Etage“ wurde dann von meinen Vorgängern, Doris Wiechert und Justus Hoffmann, aus der Insolvenzmasse heraus gekauft. Sie haben so die Buchhandlung Storm fortführen können. Genau vor fünf Jahren, am 01. Januar 2017, habe ich die Buchhandlung übernommen, als sie 120 Jahre alt geworden ist.
Was wissen Sie aus Ihren Recherchen über die Geschichte, gab es in den 125 Jahren besondere Geschehnisse oder Anekdoten rund um die Buchhandlung Storm?
Wir wissen zum Beispiel, dass Friedo Lampe mit den damaligen Inhabern Wilhelm Herrmann und Wolf Herrmann eng befreundet war. Er hat auch, als die Buchhandlung am Domshof war, einen Zeitungsartikel geschrieben. Er hatte außerdem einen regen Briefkontakt mit den Herrmanns, man hat schon gemerkt, dass das eine freundschaftliche Beziehung ist. Wir haben während der Recherchen herausgefunden, dass Paula Modersohn-Becker unsere Kundin war. Ernst Rowohlt ließ früher bei uns anschreiben, das steht sogar in der Monografie über ihn. Was auch total witzig war: Wir haben eine Urkunde gefunden, dass wir an einem Schaufensterwettbewerb Anfang der neunzehnhunderter Jahre teilgenommen haben. Und wir haben den ersten Platz belegt und eine Reise nach Norwegen gewonnen!
Und jetzt, was bringt die Zukunft?
Wir haben letztes Jahr an einem Wettbewerb der Wirtschaftsförderung teilgenommen und haben da den zweiten Platz belegt. Dadurch haben wir ein unglaubliches Budget von 50.000 € zur Verfügung gehabt, um die Buchhandlung umgestalten zu können. Wir wollen frischer im Auftritt werden, sprich die Räume moderner gestalten. Wir wollen aber trotzdem den geisteswissenschaftlichen Bereich und unser kuratiertes literarisches Programm beibehalten, das ist uns sehr wichtig. Aber wir wollen uns auch mehr für die Leseförderung engagieren und die Buchhandlung für Familien interessanter machen. Angedacht war auch, die Student*innen mehr abzuholen, falls die Fachhochschule an den Brill kommt.
Wir haben uns jetzt extra für das Jubiläum ein neues Logo von einer sehr lieben Freundin designen lassen. Das hat uns so gut gefallen, dass wir es behalten wollen. Dadurch hat sich jetzt im Team ganz viel bewegt: Wir haben ganz neue Impulse bekommen, dadurch dass wir noch einmal über den Raum und das Logo nachgedacht haben und uns etwas anders ausrichten – und dadurch, dass wir jetzt wieder anfangen, Veranstaltungen zu machen. Wir haben einfach Lust, durchzustarten!
Wie werden Sie das Jubiläum feiern?
Am 25. April wollen wir einen kleinen Sektempfang machen und abends findet dann im Rahmen der Jazzahead! eine Lesung aus dem Krimis von Louise Penny statt. Ich bin ein großer Fan und wir haben das Glück, dass wir über den Kampa Verlag Kontakt zu den beiden Übersetzerinnen aufnehmen konnten. Die beiden lesen und erzählen ein paar Anekdoten aus dem Leben als Übersetzer*in. Außerdem haben wir an diesem Tag eine kleine Ausstellungseröffnung. In den Schaufenstern zeigen wir die Bilder der Künstler*innen des Festivals Sommer in Lesmona. Und dann kommt natürlich die Festschrift, aber wir wissen leider noch nicht genau, wann die erscheinen kann.
Und wie sieht die Buchhandlung Storm in weiteren 125 Jahren aus?
Das ist denke ich sehr davon abhängig, wie sich die Gesellschaft verändern wird. Durch Corona ist viel im Umbruch! Aber ich finde schon, dass die Stadt sich gerade sehr verändert. Und natürlich weiß man nicht, wie der Einzelhandel in Zukunft funktionieren wird. Mein Wunsch ist, dass wir weiterhin eine bibliophile Buchhandlung bleiben, dass wir das Schöngeistige anbieten können und dass unser Standort uns ermöglicht, Experimente zu machen. Natürlich wäre es wunderbar, wenn auch der unabhängige Buchhandel und die unabhängigen Verlage, denen wir bei der Büchermeile eine Bühne geben, immer ein großes Thema bei Storm bleiben würden!
Die Buchhandlung Storm
mit Inhaberin Alexandra Rempe und ihrem Team wurde 2020 als eine von fünf deutschen Buchhandlungen mit dem Deutschen Buchhandlungspreis als besonders herausragende Buchhandlung ausgezeichnet. Die Buchhandlung stellt Aufklärung in medienüberfluteten Zeiten zur Verfügung und hat Inhalte vorrätig, die nicht immer bequem sind. Buchinhalte sind bei STORM dazu bestimmt, den Geist anzuregen, um neue Realitäten zu erfahren und den eigenen Horizont zu erweitern.