Die Erde war unsere

Sternenhimmel
© Rike Oehlerking

Trotz dieser Welt…
…war es unsere Erde
von Krittapas Boonpasart

„Wie war es auf der Erde, Mami?“
Eines Tages, wenn er sprechen kann, wird er das fragen.
Unser Schiff hebt vom Boden ab. Mein kleiner Junge schläft sicher und geborgen auf meiner Brust, während ich aus dem Fenster schaue. Die Stadt, die ich einst mein Zuhause nannte, liegt unter dem Abendhimmel. Als ich jung war, habe ich dieses Bild immer von einem hohen Riesenrad aus gesehen. Diesmal aber wird die Kabine nie wieder herunterfahren.
Ich erkenne die majestätische Kathedrale, die zwar schwer beschädigt ist, aber immer noch stolz inmitten der in Schutt und Asche liegenden Stadt steht. Hier und da sind noch kleine Brände zu sehen. Das ist es, was von der Welt übriggeblieben ist.
Das Schiff schwebt langsam und nicht allzu hoch über der Stadt, als wolle es uns eine letzte Chance geben, uns zu verabschieden. Als ich noch einmal auf meine Heimatstraße schaue, glaube ich, eine Bewegung auszumachen. Ein Hirsch, nein, zwei dieser Tiere, eine Mutter mit ihrem Kind, so scheint es. Sie gehen die leere Straße entlang, auf der wir früher unterwegs waren.
„Wie war es auf der Erde, Mami?“
Eines Tages wird er das fragen.
„Sie gehörte uns“, werde ich antworten.

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