In Fucking fucking schön versammelt Eva Rottmann zehn Kurzgeschichten über erste Male, sei es der erste Kuss, der erste Solo-Sex, der erste Besuch im Sex-Shop, die erste Verliebtheit und vieles mehr. Dabei kommen homo- und heterosexuelle Paare selbstverständlich vor, nicht alle Gefühle werden erwidert oder sind für beide Partner*innen schön – es geht um Scham, Unsicherheit und die ganz großen Fragen, die sich wohl jede*r zwischen 14 und 20 Jahren stellt. Bin ich richtig? Was gefällt mir?
Eva Rottmann zeigt, wie individuell Sex und Lust sind und macht Mut, sich in den Figuren wiederzufinden und mit ihnen auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Ton, den sie dafür gefunden hat, ist unverblümt, locker und zeitgemäß. Alle Figuren haben ihre ganz eigene Stimme, aber sie alle sind gegenwärtig und holen nicht nur mich als erwachsene Leserin ab, sondern sind auf Augenhöhe mit der Zielgruppe. Die zehn Figuren im Buch stehen, das zeigt sich nach und nach, miteinander in Beziehung und es entspinnt sich ein Netz aus Geschichten, Gefühlen und Verletzungen. Längst nicht alle Protogonist*innen sind sympathisch, viele treffen falsche Entscheidungen oder verletzten die anderen, aber sie alle sind authentisch.
Michèle Fischels erzählt in ihrer Graphic Novel outline vom letzten Schuljahr vor dem Abitur und den Erlebnissen einer Freundesgruppe, die im Wirrwarr aus Zukunftsängsten, Prüfungsstress und Gefühlschaos auseinander zu brechen droht. Dass Clara und Ben jetzt ein Paar sind, macht es für Andreas noch schwerer, die Freundschaft aufrecht zu erhalten, während er mit seinem Coming-Out und einer toxischen Beziehung beschäftigt ist. In kurzen Szenen der Stufenfahrt nach Italien ans Meer, von Partys, Gesprächen und Prüfungen fliegen die Leser*innen durch dieses eine Jahr. Michèl Fischels gelingt es, in skizzenhaften Zeichnungen enorm viel Emotion und Stimmung zu transportieren, an die Heranwachsende genauso anknüpfen können wie längst Erwachsene, die sich in die eigene Jugend zurückversetzen.
Beide Titel, die mit dem Luchs des Jahres ausgezeichnet wurden, erzählen intensiv von der Adoleszenz, von Liebe, Lust und Angst gleichermaßen. Dass mit Fucking fucking schön und outline erstmals gleich zwei Titel mit dem Preis ausgezeichnet wurden, ergibt ein sehr stimmiges Bild. Beide Titel sind nicht nur für junge Menschen sehr zu empfehlen!
FUCKING FUCKING SCHÖN. Eva Rottmann. GESCHICHTEN Jacoby & Stuart. Berlin 2024. 176 Seiten. € 16,00. Ab 14 Jahren.
OUTLINE. Michèl Fischels. GRAPHIC NOVEL Reproduct. 2024. 208 Seiten. € 24,00.
Annika Depping
ist seit einem Praktikum im Team des Literaturhauses Bremen. Inzwischen leitet sie die Textredaktion des Literaturmagazins, organisiert das Kinderlesefestival Galaxie der Bücher und andere Projekte. Für das Literaturhaus ist sie außerdem Teil der Jury zur Vergabe des Bremer Autor*innenstipendiums. Sie hat in Bremen Germanistik mit Schwerpunkt Literaturwissenschaften studiert und liest am liebsten in ihrem Schrebergarten, wenn ihre beiden Kinder (4 und 2 Jahre) ihr dazu die Zeit lassen - oder sie liest den beiden vor. Über ihre Leseeindrücke schreibt sie auch im Online-Magazin Bücherstadt Magazin.
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