Thomas Stangl, 1966 in Wien geboren, studierte Philosophie und Spanisch in Wien und schrieb zunächst Essays, Buchbesprechungen und kleinere Prosaarbeiten für Zeitungen und literarische Zeitschriften. Seit seiner ersten Buchveröffentlichung 2004 ist ein umfangreiches und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnetes literarisches Werk entstanden, zuletzt erschien der Erzählband Die Geschichte des Körpers. Thomas Stangl lebt in Wien.
In Thomas Stangls Roman geht es um einen chinesischen Kaiser, der von der totalen Herrschaft über die Zeit träumt, Autorinnen aus dem 19. Jahrhundert, die sich gegen die Zwänge ihrer Wirklichkeit auflehnen, ein Mädchen im Simmering des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, am Rand der Stadt und am Rand der Weltgeschichte: Thomas Stangl löst einzelne Momente der individuellen Lebensgeschichte, eigener und fremder Familiengeschichten sowie weit entfernte historische Momente aus ihren Zusammenhängen und montiert sie zu neuen Konstellationen. Er verwebt Gesten, Handlungen und Szenen zu einem faszinierenden, jeder Zeitordnung enthobenen Roman und errichtet einen kontrastreichen Erzählraum, in dem vermeintliche Selbstverständlichkeiten neue Bedeutung gewinnen und konventionelle Vorstellungen von Biografie, Identität und Wirklichkeit verloren gehen. Quecksilberlicht ist ein Roman soghafter Kraft über Geschichte, das Vergehen der Zeit und das Fortleben alles Geschehenen in unser aller Leben. Der chinesische Kaiser hielt sich für das Zentrum des Universums und versuchte, durch die Einnahme von Quecksilber unsterblich zu werden; er starb an Quecksilbervergiftung. Nicht er und nicht der Autor ist das Zentrum der Welt, ein jeder, eine jede ist es. Und die Literatur von Thomas Stangl ist der Ort, an dem sie weiterleben.
Die Jury begründet die Vergabe: „Der Bremer Literaturpreis 2023 geht an den Wiener Autor Thomas Stangl für seinen Roman Quecksilberlicht, in dem er die eigene Familiengeschichte vor den Horizont der Gewaltgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts stellt und das eigene Erzählen im Leben der Brontë-Schwestern und ihres Bruders spiegelt. Mit nicht nachlassender Sprach- und Imaginationskraft stellt Stangl die Frage nach der Macht der Sprache und der Sprache der Macht.“
Den mit 6.000 € dotierten Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2023 erhält Martin Kordić. Er wurde 1983 in Celle geboren und wuchs in Mannheim auf. Kordić studierte in Hildesheim und Zagreb. Seit über zehn Jahren arbeitet er als Lektor in Buchverlagen, zunächst in Köln, heute in München. Für seinen Debütroman Wie ich mir das Glück vorstelle erhielt er den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis sowie die Alfred-Döblin-Medaille. Jahre mit Martha ist sein zweiter Roman.
Die Jury begründet die Vergabe: „Den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis erhält Martin Kordić. In seinem Roman Jahre mit Martha erzählt er mit leisem, mitunter bösem Humor von einer Illusion: dem Versprechen, durch Bildung die Schranken der eigenen migrantischen Herkunft zu überwinden. Mit großem Erfindungsreichtum bettet er die Bildungs- und scheiternde Aufstiegsgeschichte in eine überraschende und unkonventionelle Liebesgeschichte ein.“
Die Jury zum Bremer Literaturpreis 2023 tagte unter dem Vorsitz von Dr. Lothar Müller (Journalist) mit den Mitgliedern: Richard Kämmerlings (Die Welt), Barbara Lison (Stiftung Bremer Literaturpreis), Dr. Wiebke Porombka (Deutschlandfunk Kultur), Michael Sieber (Stiftung Bremer Literaturpreis), Dr. Daniela Strigl (Österreich), Stefan Zweifel (Schweiz).
Die Preise werden am 23. Januar 2023 im Bremer Rathaus verliehen. Am Vorabend der Preisverleihung, dem 22. Januar 2023, findet eine moderierte Lesung der beiden Preisträger um 18 Uhr in der Glocke statt. Im zeitlichen Umfeld der Preisverleihung wird die 47. Literarische Woche Bremen veranstaltet.
Der Bremer Literaturpreis ist einer der ältesten und bedeutendsten Literaturpreise der Bundesrepublik. Er wurde erstmals 1954 vergeben und wird seit 1977 durch einen Förderpreis ergänzt, der seit 2005 von der ÖVB – Öffentliche Versicherung Bremen finanziert wird.
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