Mutig & unmittelbar: Verleger Madjid Mohit über Narges Mohammadi

Narges Mohammadi wurde der Friedensnobelpreis 2023 für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frau und für die Menschenrechte zuerkannt, während sie im Iran in Haft saß. Der Sujet Verlag und der Verein West-östlicher Diwan: interkultureller Austausch e.V. fordern ihre sofortige Freilassung. Im Interview mit Annika Depping spricht Verleger Madjid Mohit über die Situation im Iran und die Kraft der Literatur.

Madjid Mohit
© Felix Krause

Hilft die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis Narges Mohammadi bei ihrem Kampf und in ihrer aktuellen Situation?

Diese Preise werden natürlich Auswirkungen auf die Proteste im Iran haben, sowohl auf die Proteste in den Straßen, als auch in vielen gesellschaftlichen, künstlerischen, kulturellen und literarischen Werken. Er ist verbunden mit vielen internationalen Aufmerksamkeiten, Wahrnehmungen und Anerkennungen der mutigen Aktivitäten der Preisträgerin. Jede internationale Aufmerksamkeit kann zwar nicht ihr Leben retten, aber sie kann einen gewissen Druck von ihr nehmen und sie und die Bewegung mutiger machen.

Als Verleger hast du vermutlich ebenfalls Kontakt zu Personen, die im Iran inhaftiert sind oder waren. Kannst du etwas über die Zustände dort erzählen?

Bedauerlicherweise habe ich keine direkten Kontakte zu Inhaftierten. Ich werde aber durch Nachrichten und private Social-Media-Berichte über die aktuelle Situation erfahren. Diese Nachrichten zeigen, dass die Inhaftierten und ihre Familien unter Druck und Kontrolle stehen. Je nachdem, was gerade passiert, wird das  Druckfeld dadurch  neu reguliert.

Narges Mohammadi, so erzählt es ihr Mann Taghi Rahmani, hat sich entschieden, im Iran zu bleiben, weil sie vor Ort mehr bewirken können als aus dem Exil. Du selbst bist 1990 aus dem Iran geflohen, als die Situation vor Ort für Schreibende und Verleger*innen immer gefährlicher wurde. Wie trifft man so eine Entscheidung?

Das Phänomen, dass einige Iraner das Land verlassen mussten oder so entschieden haben, um ihre politischen Aktivitäten fortzusetzen und einige bleiben, um ihre Proteste und politischen Aktivitäten im Lande auszuüben, weil sie es wirksamer finden, ist seit Jahren bekannt. Beide sind von der Wirkung ihrer Aktivitäten  geprägt. Es ist jedoch klar, dass die Wirkung der Opposition in dem Lande äußerst effektiv und gleichzeitig gefährlicher ist. Doch die ausländischen Oppositionellen sorgen dafür, dass die richtigen und relevanten Informationen vermittelt werden und durch verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten die Bewegung im Iran gestärkt wird.

Hier in Deutschland engagierst du dich unter anderem durch das Verlegen sogenannter Luftwurzelliteratur. In einem Satz: Was verstehst du darunter?

Der Begriff Luftwurzelliteratur bezieht sich auf eine Literatur, die sowohl innerlich als auch äußerlich durch ihre Vielfältigkeit in Sprache und Kultur gekennzeichnet ist. Darunter sind viele Autorinnen und Autoren, die mit mindestens zwei Kulturen und Sprachen unterwegs sind und für mehr Verständnis zwischen  Menschen unterschiedlicher Ethnien beitragen

Mit ihrem Buch Frauen! Leben! Freiheit! gibt Mohammadi 13 inhaftierten Frauen im Iran eine Stimme. Was meinst du, kann Literatur helfen, Wunden zu heilen?

Durch die Vielstimmigkeit der Autorinnen wird deutlich, dass es sich bei diesem Buch nicht nur um eine Stimme für Frauenrechte handelt, sondern um viele andere, von denen niemand etwas weiß und wahrnimmt. Dies ist eine Besonderheit der Literatur aller Zeiten. Die Literatur ist eine Erzählung von Menschen. Sie ist die Stimme eines Menschen oder mehrere Menschen, die von sich und von der Welt mutig und unmittelbar berichten. Für diese Erzählungen haben die Medien und die Politik keine Zeit. Die Literatur ist ein Mittel, um uns und die Welt nicht zu vergessen und in Erinnerung zu behalten. 

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Cover Frauen! Leben! Freiheit!

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