Marius ist 14 Jahre alt, als seine Mutter ermordet wird. 33 Mal sticht sein Vater mit dem Messer auf sie ein, rasend vor Wut, weil sie ihm gesagt hat, sie würde ihn nicht mehr lieben. Es ist schon häufig vorgekommen, dass sich Marius‘ Eltern gestritten haben. Aber diesmal ist es anders. Diesmal ist seine Mutter überzeugt davon, ihren Mann endlich verlassen zu können. Und das kann dieser nicht akzeptieren. Als Marius versucht, seine Mutter zu schützen, wird auch er lebensbedrohlich vom Vater verletzt. Er kann fliehen, sich in Sicherheit bringen, aber für seine Mutter kommt jegliche Hilfe zu spät.
An diesem Tag, dem 24. Januar, bricht Marius‘ Welt zusammen. Er versucht, sich im Alltag zurechtzufinden und wieder Freude zu empfinden. Doch im Heim findet er keinen Anschluss und die wenigen Kontakte, die er hat, wenden sich von ihm ab. Auch von seiner Schwester hört er nichts mehr. Marius beschließt, das Heim zu verlassen. Er hält es in geschlossenen Räumen nicht aus und erträgt es nicht, wenn ihm jemand sagt, was er zu tun hat. Auf der Straße, unter freiem Himmel, fühlt er sich wohler, trotz Hunger und eisiger Kälte.
Marius‘ Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. 2017 wird ein Junge namens Mark tot auf einem Baum gefunden. Sein Schicksal bewegte Autor Christian Duda dazu, das Buch Baumschläfer zu schreiben. Eindrücklich und sprachlich dicht beschreibt er, wie sich Marius‘ Leben entwickelt. In kurzen Sätzen, ungeschönten Dialogen und immer wieder eingeschobenen Gedanken von Marius in fettgedruckter Schrift, auch mitten in einer erzählenden Passage. Etwas wirr erscheint der Text dadurch, uneindeutig und nüchtern. Genau das bildet aber hervorragend Marius‘ Geschichte ab. Für ihn gibt es nur wenig Orientierung und es wird deutlich, wie verletzt seine Seele ist, wie viel Schmerz er mit sich trägt. Es ist tragisch, wie sich alles entwickelt, trotz der vielen kleinen Hoffnungsschimmer. Immer wieder kommen sie hervor und lassen die Leser*innen glauben, nun könnte sich alles zum Guten wenden. Nun würde ihm jemand helfen. Aber Marius hat kein Vertrauen mehr.
Baumschläfer ist ein Buch, das schwer zu verdauen ist. Es lässt seine Leser*innen mit all ihren Gedanken allein zurück – und der Frage, ob die Geschichte nicht auch anders hätte ausgehen können, wenn Marius/Mark nach so einem traumatischen Erlebnis hätte besser aufgefangen werden können.
BAUMSCHLÄFER | Christian Duda | ROMAN Beltz & Gelberg | Weinheim 2022 | 196 S. | €18,00 | Ab 14 Jahren
Alexa Sprawe
hat Germanistik und Kunst-Medien-Ästhetische Bildung an der Uni Bremen studiert und den Bücherstadt e.V. mitgegründet. Heute lebt sie in Halle an der Saale, widmet sich dem Studium der Angewandten Medien- und Kulturwissenschaft, schreibt für diverse Magazine wie das Bücherstadt Magazin und das Eselsohr und gestaltet Websites.
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