In diesem Frühjahr sind zu ihrem 400. Geburtstag die verschollenen Werke der Barockpoetin Sibylla Schwarz gleich in mehreren Ausgaben erschienen. Geboren 1621 mitten im Dreißigjährigen Krieg im pommerschen Greifswald als Tochter einer einflussreichen Patrizierfamilie, wurde sie von ihrem Hauslehrer und späteren Herausgeber, dem Theologen und Dichter Samuel Gerlach, unterrichtet, der sie unter anderem mit Martin Opitz Buch von der Deutschen Poeterey bekannt machte. Als sie neun Jahre alt war, starb ihre Mutter an der Pest, als Zehnjährige begann sie zu schreiben, als Dreizehnjährige trat sie mit einem Huldigungsgedicht erstmals an die Öffentlichkeit.
Der Lebensbereich der Dichterin Sibylla Schwarz war an die Wohnorte der Familie gebunden. Aber die Bibliothek ihres Vaters und zeitgenössische niederländische und französische Literatur, die ihr der Bruder schickte, vor allem aber auch die Förderung durch ihren Hauslehrer öffneten und erweiterten für sie die häuslichen Grenzen.
Sie schrieb Sonette, lyrische Stücke, Kirchenlieder, Oden, Epigramme und Gelegenheitsgedichte, eine erste Ausgabe ihrer Werke erschien posthum 1650 in einer zweibändigen Ausgabe, herausgegeben von ihrem Freund und Hauslehrer. Damit gilt sie als die erste deutschsprachige Dichterin, die im 17. Jahrhundert eine eigenständige Werkausgabe erhielt. 300 Jahre lang verlor sich ihre Spur in der Literaturgeschichte, bis 1980 ein Reprint der Erstausgabe erschien.
Die junge Sibylla Schwarz, die mit 17 Jahren starb, wurde vor allem mit ihren Liebessonetten gerühmt – rhetorische Figuren in der Tradition des Petrarkismus, der Liebeslyrik nach Francesco Petrarca. Form und Metrik ihrer Sonette sind zugleich ein Ordnungsprinzip in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, ein gebauter Rahmen der Verlässlichkeit mit Reimschema und Zeilenanordnung; ein antipodisches Prinzip des Für und Wider im Dialog zwischen Liebe und Tod, Krieg und Frieden, Sonne und Finsternis, Herz und Verstand; zugleich auch ein musikalisches Prinzip im Rhythmus des Alexandriners, einer beliebten Metrik im Barockzeitalter, wie sie schon Martin Opitz in seiner Poetik proklamierte.
Die Texte der jungen Sibylla Schwarz, geschrieben in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, ermutigen in heutiger Zeit, der Unsicherheit, Zerstörung und Begegnung mit dem Tod die Gestaltungskraft der Gedichte entgegen zu setzen.
Inge Buck
wurde 1936 in Tübingen geboren. Ihr Studium legte sie in der Literatur- und Theaterwissenschaft, Psychologie und Publizistik ab und promovierte. Sie arbeitete als Redakteurin beim Deutschlandfunk und als Kulturwissenschaftlerin an der Hochschule Bremen. Derzeit lebt und arbeitet Inge Buck als Autorin in Bremen. Sie wurde unter anderem mit dem Literaturstipendium des Prager Literaturhauses 2017 und dem Stipendium der Stadt Amsterdam 2001 ausgezeichnet. Zuletzt erschienen ist Lieber sterbe ich, als nicht zu küssen (Sujet Verlag 2020). Demnächst erscheint außerdem der Gedichtband Zeit und Gedächtnis (Sujet Verlag 2021).
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