Lesetipp: Sujet Verlag empfiehlt

Das Cover von "Der Großcousin" zeigt einen jungen Mann an einer Bushaltestelle.

Mit Der Großcousin erscheint das dritte Buch des Autors Nasssir Djafari nach Eine Woche, ein Leben und Mahtab. Keine Titel, die reißerisch klingen und doch erzählt das aktuelle Buch eine Geschichte mit einem Spannungsbogen, der mich verführte, es nicht mehr aus der Hand zu legen.

Abbe ist ein ruhiger Frankfurter Unternehmer mit iranischen Wurzeln, der Geschäfte mit Südafrika macht. Seine iranische Vergangenheit spielt keine große Rolle, sein Farsi ist rudimentär und sein Interesse an seiner Ursprungsfamilie hält sich in Grenzen. Bis eines Tages unvermittelt ein entfernter Verwandter, Reza, aus dem Iran auftaucht. Der Besucher ist reichlich undurchsichtig, verwickelt sich in Widersprüche und pumpt Abbe auch gleich um Geld an. Er verschwindet wieder aus dem Leben Abbes, der sich um Querelen in seinem Geschäft kümmern muss. Bis der junge Mann wieder auftaucht und um Hilfe bittet.

Die Ereignisse nehmen Fahrt auf, als Reza, der anscheinend illegal in Deutschland ist, ihm von einer Wohnung erzählt, aus der er ausziehen soll. Djafari gelingt es, in einer ruhigen, konzentrierten Art zu erzählen und gleichzeitig die Spannung aufrechtzuerhalten. Denn die Geschichte wird für Abbe und auch die Leserin immer verworrener, als auch noch eine junge Frau mit Kind auftaucht, die anscheinend etwas mit Reza zu tun hat. Man bekommt so langsam einen Eindruck von iranischen Familienverhältnissen, die im Iran der Mullahs nicht ungewöhnlich sind.

Nebenbei erzählt Djafari auch noch die Geschichte seines dementen Vaters, um den sich Abbe rührend kümmert, bis zu dessen emotional sehr ergreifenden Ende.
Wer den Iran nur aus den wenigen Informationen aus der Zeitung kennt, wird hier mit der Wirklichkeit der gut in Deutschland integrierten iranischen Gemeinde vertraut gemacht und hat gleichzeitig eine Möglichkeit, die Lebenswirklichkeit im Iran selbst kennenzulernen.

Mich jedenfalls hat das Buch ergriffen und neugierig gemacht auf den Ausgang der Erzählung, der mit einem gekonnten Knalleffekt am Ende alles, was vorher geschah, plausibel macht.
Danach liest man die Meldungen aus dem Land mit einem anderen Blick. Ein Buch, das von mir alle „Likes“ bekommt, die man vergeben kann.

Jürgen Meyhöfer 

DER GROSSCOUSIN | Nassir Djafari | ROMAN Sujet Verlag | Bremen 2024 | 255 S. | €19,80


Der Sujet Verlag

aus Bremen veröffentlicht Gedichtbände, mit einem Schwerpunkt auf moderne Lyrik, Romane und Sachbücher. Besonders zeichnet er sich aber durch die so genannte „Luftwurzelliteratur“ aus – ein poetischer Ausdruck für eine grenzüberschreitende Literatur, die sich nicht in enge Begriffe pressen lassen will. In Abgrenzung zum eher negativ konnotierten Begriff der Exilliteratur steht in der Luftwurzelliteratur der bereichernde Aspekt des Exils im Vordergrund. Der Verlag wurde 1996 von Madjid Mohit in Bremen gegründet, der kurz zuvor aus dem Iran nach Deutschland ins Exil gegangen war.

Mehr über den Sujet Verlag

Weiterlesen:

Bremer Literaturpreis 2025

Ganz frisch bekanntgegeben: Wilhelm Bartsch erhält im Januar den Bremer Literaturpreis 2025 für seinen im Wallstein Verlag erschienenen Gedichtband "Hohe See und niemands Land". Den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2025 erhält Stefanie Sargnagel für ihren Roman "Iowa – Ein Ausflug nach Amerika" (Rowohlt 2023).