Ich fühle mich leer, im Schatten des Lebens, verloren im Dunklen und sehne mich nach der verborgenen Schönheit des Erden-Seins.
Ich sehe sie an, ihre Art zu lachen, die Autorität ihres Daseins.
Fragen überkommen mich und ich suche nach Antworten, was wäre, wenn …?
Wenn ich nicht in meinem eigenen Dasein gefangen wäre, in den Zwängen meiner Herkunft.
Sie bekümmert es nicht, welch Kleid sie trägt, wie ihr Haar fällt oder wann die Uhr ihr die Zeit der Abendstunde schlägt.
Ich stehe vor einem Spiegel, nehme mein Tuch, binde mir das Haar, verdecke seine Schönheit und verschleiere mich.
Während du dich der Bildung widmest, dein Körper sich zum Takt der Musik bewegt, du die Abendstunden mit deinem Liebsten verbringst, sitze ich hier.
Im Dunkel des Tages.
Frage mich, ob wir vergessen sind.
Die Frauen meines Landes.
Ich trage einen Hijab, bedecke meinen Körper mit langer Kleidung, um die Stellen zu verbergen, die doch die Natur formte.
Denn in meinem Land ist dies ein Gebot, mein Körper könnte Reize erwecken und somit die Menschen zur Sünde verleiten.
Bedenkt man, dass es nicht der Körper an sich ist, sondern der Mensch, der seine Gier nicht zügeln kann, betraft werden wir, dafür wie die Natur uns einst erschaffen hat.
Es gab eine Zeit, weit vor meiner, eine Zeit, wo Frauen es als eine Freude empfanden, sich mit Gold zu schmücken, Kleider in leuchtenden Farben zu präsentieren und unter ihren Armen ihre Bücher tragend, mal auf dem Weg zur Universität waren.
Sonnenbrillen auf ihren Gesichtern und das Haar offen fallend, vom Wind die Strähnen ins Gesicht geblasen, eine Zeit, die man sich heute kaum noch vorstellen kann.
Ich sehe mir alte Bilder an, junge Männer und Frauen lächelnd im Park sitzen, sie spielten Musik und andere tanzten.
Längst vergessene Bilder Afghanistans.
Musik, die durch die Bars, die Gassen erklingt und Menschen, deren Lachen bis zu den Dächern nun hallt.
Einst ein Reiseziel für Hippies, man glaubt es kaum, auf den Straßen gab es Schnitzel zu verspeisen.
Heute kennt man Kabul nur zerschlagen, unter Schutt und Asche gelegen und regiert von einer Macht, mit der ein Schauer verbunden ist, der sich auf mein Gemüt legt.
Seit Jahren bangen wir um unser Leben, unsere Heimat unser Dasein.
Was wäre, wenn die Geschichte einen anderen Lauf genommen hätte?
Wer wäre ich?
Wie es sich wohl anfühlen mag, eines Morgens zu erwachen und zu leben?
Meine Lunge mit deiner Luft zu füllen, meine Haut von deiner Sonne geküsst.
Man kann mir vieles nehmen, nur nicht meine Gedanken und Träume.
Doch trotzdem haben wir eines gemeinsam, durch jede Entfernung und Weite, das uns verbindet:
Ich bin eine Frau wie du.
Sadaf Zahedi
geboren am 23. Februar 1985 in Kabul, Afghanistan. Zahedi ist ein Kriegsflüchtlingskind und lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Deutschland. Aufgewachsen in Bremen. Immer wieder geht sie mit ihren Gedichten auf Bühnen, um Organisationen bei Spendensammlungen zu unterstützen. Neben der Begeisterung zum Schreiben bringt sie seit ihrem 25. Lebensjahr ihr Erlebtes sowie ihre Gefühle auch auf Leinwand und hat die Werke bei Kunstausstellungen gezeigt. Wird etwas verkauft, spendet sie das Kindern in Kriegsgebieten. Mit ihrer Erzählung Vier Jahreszeiten, die von der Erik-Neutsch-Stiftung im Wettbewerb 2020/21 ausgewählt und im April 2022 vom Verlag Neues Leben veröffentlicht wurde, geht sie zur Zeit auf Lesungen. Des weiteren wurden Texte ihrer Erzählung vom Transkulturellen Theater Osnabrück im Stück Dazwischen mit eingebracht. Inzwischen ist sie selbst Mutter von drei Kindern und nutzt momentan ihre Elternzeit, um sich ganz dem Schreiben zu widmen.