Gehetzte Passant*innen, Leerstand, vollgepackte Einkaufstüten: So muss die Bremer Innenstadt nicht aussehen! Doch wenn sich Innenstädte verändern sollen, braucht es neue Ideen für deren Nutzung. Eine davon stammt von der Bremer Autorin Donka Dimova, die den Glaspavillion auf dem Hanseatenhof in ein Poesiecafé verwandelt hat. Mehr darüber hat sie Annika Depping im Interview erzählt.
Warum ist Poesie genau der richtige Weg, um die Innenstadt zu beleben?
Ich antworte dir hier mit einer Frage – belebt Poesie nicht alles, was sie berührt? Gute Gedichte erwecken Bilder, Gedanken, Gefühle zum Leben, also sie beleben etwas in uns. Gedichte stellen andere Verbindungen zu Orten, Situationen, Menschen her. Sie sind intuitiv und suchen den Dialog mit den Sinnen, also nicht nur mit dem Verstand. Gleichzeitig sind sie eine kurze Form, nehmen nicht viel Zeit in Anspruch, also passen sie gut in dem schnellen Alltag der Stadt. Gedichte können eine Art Meditation aus dem Alltag sein. Denn Gedichte haben einen abstrakten Wert, der jenseits von Konsum und Stress entsteht, mit denen Innenstädte häufig verbunden werden. Poesie ist so vielfältig und ich glaube, das für jedefrau und jedermann etwas dabei wäre, wenn Gedichte nicht so einen schlechten Ruf hätten. Dichterinnen und Dichter haben kein cooles Image und dabei sind sie so was wie die Rockstars der Literatur. Sie machen, was sie wollen und stellen ihre eigenen Regeln auf. Genau das möchte das Poesiecafé zeigen.
Was erwartet uns beim Poesiecafé?
Zuerst sind es die 22 beteiligten Bremer Poet:innen, die euch an den Nachmittagen begrüßen werden. Sie werden Texte lesen und neue Texte vor Ort schreiben. Geplant sind viele interaktive Angebote – einen Gedichte-Quiz, Gedichte angeln, Gedichte würfeln und vieles mehr. Wer sich traut, kann ein eigenes Gedicht verfassen. Es soll viel um Texte gehen, aber im Vordergrund stehen die Menschen – die Poet:innen und das Publikum, das aus den Passant:innen der Stadt besteht. Die Texte stellen die Verbindung zwischen ihnen her. Und das Ganze bei einer Tasse Kaffee oder Tee und Keksen, weil es eben ein Café der Poesie ist.
Wie kamst du auf die Idee, den leerstehenden Raum so zu nutzen?
Ich mag die Bremer Innenstadt und finde es so schade, dass sie nur ein Ort des Konsums ist. Durch die Veränderungen im Konsumverhalten, verändern sich auch die Innenstädte. Ich sehe darin eine Möglichkeit den Leerstand mit guten Sachen zu füllen. Mit Sachen, die jenseits des Geldwertes existieren, und so kommen wir zur Anfangsfrage zurück. Den Gedanken, dass Gedichte ein besseres Image brauchen, hatte ich schon lange. Dann kamen zwei glücklichen Zufälle zusammen – der Glaspavilion auf dem Hanseatenhof stand leer und wurde für Zwischennutzung freigegeben (koordiniert im Übrigen von der AAA GmbH und Teil des Projekts UMZU) und Fördermittel aus dem Bundesprogramm Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren wurden bereitgestellt. Hier lieben Dank an das Projektbüro Innenstadt für die Koordination der bereitgestellten Gelder! So entstand das erste Bremer PoesieCafé.
Was sind deine bisherigen Erfahrungen mit dem Poesiecafé? Welche Menschen haben teilgenommen, was hat dir besonders gefallen?
Die drei Nachmittagen werden unterschiedliche verlaufen. Der erste war am Samstag, 7. Oktober. Beteiligt waren acht Poet:innen, die in zwei Leseblocks ihre Texte präsentiert und über ihren persönlichen Weg zur Lyrik erzählt haben. Zu Besuch kam auch der Bremer Musiker Otto Maier und machte den Nachmittag besonders magisch mit seinem Hang (das Musikinstrument ist hier gemeint :)). Zwischen den Leseblocks konnten die Neugierigen eigene Texte kreieren. Gespräche führen, einfach da sein. Für mich persönlich waren die zwei Leseblocks besonders berührend – im Glaskasten sitzend, mit einem warmen Tee in der Hand, die Welt draußen lief vorbei und ich lauschte Gedichten. Traumhaft.
Das zweite Poesiecafé wird am 11. November, ebenso einem Samstag, sein. Es wird wieder sehr gemütlich. Mit Farben, Stoffen und Lichtern möchten die nächsten sieben Poet:innen einen Raum zum Verweilen und Genießen erschaffen. Der dritte Nachmittag am 9. Dezember wird etwas rockiger zugehen, mit viel Musik und den bunten Weihnachtsmarkt vor der Tür. Mehr verrate ich erstmals nicht – außer natürlich die Zeiten des Poesiecafés: 14 bis 20 Uhr.
Donka Dimova
ist 1986 in Burgas, Bulgarien geboren. Die Poesie begeistert und beschäftigt sie seit ihrem frühen Schulalter. Sie veröffentlicht in Sammelbänden, Zeitschriften und Anthologien. Sie studierte Politikwissenschaft und Europäische Studien in Bremen und Hannover und arbeitet seitdem mit Menschen in schwierigen Lebenslagen. Im Jahr 2014 kam ihr erster Poesieband Übersetzung des Alltags in Bulgarien heraus. Seit 2016 leitet und begleitet sie künstlerisch-pädagogische Projekte für Kinder und Jugendliche nach dem eigenen Konzept Spiele mit Sprache. Sie übersetzt Poesie auf Deutsch und Bulgarisch.