Ich sehne mich gerade kaum nach etwas so sehr, wie endlich wieder viele Gäste zum Essen einzuladen und eine Party zu geben. Wobei ich überhaupt nicht der Typ für Partys bin, aber das letzte Jahr hat mich so weit gebracht, wie es noch nicht einmal die Pubertät vermochte.
Vor einem Jahr dachte ich noch, dass im Herbst 2020 sicherlich alles überstanden wäre, im Herbst rechnete ich mit dem Frühling und nun mit 2024, wobei das hoffentlich doch etwas übertrieben ist. In der Zwischenzeit habe ich selbst mit dem Trinken aufgehört, da ein Glas Wein alleine vor dem Fernseher sich auf die Dauer doch seltsam anmutet.
Meine erste Post-Corona-Party plane ich sorgfältiger als meine Hochzeit und entwerfe alle möglichen Anlässe: Halloween, ein Sommerfest oder mein vierzigster Geburtstag, falls wir erst 2024 wieder zusammenkommen dürfen. Dabei vermisse ich nicht das Feiern, sondern die Geselligkeit jenseits des Spazierengehens. Vielleicht auch die Unbeschwertheit, Ausgelassenheit, Unterhaltungen, an denen sich der ganze Tisch beteiligt und das Zusammentreffen jenseits der Beschränkungen. Aber wer tut es gerade nicht? Doch wenn ich schon nicht auf echte Freund*innen und Gäste zurückgreifen kann, eignen sich auch imaginäre Gäste. Hauptsache, es wird möglichst voll und laut.
Olga Grjasnowa, geboren 1984 in Baku, Aserbaidschan, wuchs im Kaukasus auf. Sie absolvierte längere Auslandsaufenthalte in Polen, Russland und Israel und ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. 2011 erhielt sie das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung. Für ihren vielbeachteten Debütroman Der Russe ist einer, der Birken liebt (Hanser) wurde sie 2012 mit dem Klaus-Michael Kühne-Preis und Anna Seghers-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erschien ihr Roman Der verlorene Sohn (Aufbau 2020). Für das Literaturmagazin Bremen schreibt sie im Januar und Februar über Freundschaft.
Blogsatz über Olga Grjasnowa bei der LiteraTour Nord