Wenn wir unsere Existenz herunterbrechen bis auf die kleinsten Bestandteile, aus denen unsere menschlichen Körper aufgebaut sind, so landen wir schließlich bei den Atomen. Nur etwa zwanzig verschiedene Grundbaustoffe bilden unseren menschlichen Körper. Und auch der Gartenrotschwanz, der eben durch mein Blickfeld gesegelt ist, während ich schreibe, besteht aus diesen Grundbaustoffen. So gesehen teilen wir alle alles miteinander, Menschen und Tiere, sogar Steine, der Ozean und Wüstenwind in der Wüste Sahara. Wir bestehen aus Quadrilliarden von Atomen, die auch schon x-fach Teil von etwas anderem waren. Von Dinosauriern, Sonnenblumen, Krokodilen, knorrigen Bäumen, Flüssen, Wolken am Himmel, sogar dem Urknall… Nichts geht verloren in dieser Welt. Alles passiert in Kreisläufen. Ein tröstlicher Gedanke.
Wie aber kam es dann, dass wir uns so sehr entfremden konnten? Dass wir uns heute vielfach als abgetrennt erleben von der sogenannten Natur mit all ihren Lebensformen? Als Machthabende und zugleich Ohnmächtige?
Die Diskurse über das sogenannte Verhältnis Mensch-Tier und unsere ganz konkreten Verhaltensweisen gegenüber Tieren bersten vor Widersprüchen. Schon allein deshalb, weil es nicht „die Menschen“ und „die Tiere“ gibt. Wovon ist hier eigentlich die Rede? Wir alle sind so verschieden. Und dazu gibt es derartig viele unterschiedliche Arten von Beziehungen zwischen verschiedenen Menschen und verschiedenen Tieren. Verschiedenen Tieren im Sinne von Tierarten, aber auch im Sinne von Individuen. Sind alle Katzen gleich? Natürlich nicht! Genauso wenig sind alle Raben gleich und auch nicht alle Mücken.
Unsere Sicht auf „unsere Mitwesen“ ist und bleibt beschränkt durch unsere allzu menschliche Perspektive. Wir können lediglich interagieren, beobachten, wahrnehmen mit unseren menschlichen Sinnen, respektieren, vielleicht lieben. Uns bemühen zu begreifen, mit wem wir es zu tun haben. Mit den Begriffen, die wir gelernt haben, die uns zu Verfügung stehen. Und die sich erstaunlich grundsätzlich wandeln im Laufe der Jahrzehnte, so wie auch wissenschaftliche und oft als letztgültige Wahrheiten formulierte Erkenntnisse (und damit die Tierbilder in unserer Gesellschaft) ständig überholt werden.
Anke Bär
ist Illustratorin, Autorin und Kulturwissenschaftlerin und gibt im Rahmen von Lehraufträgen, Workshops und Schulkooperationen Kurse für Erwachsene und Kinder. Sie empfindet es als großes Geschenk, dass sie in ihrem beruflichen Tun verschiedene künstlerische Ausdrucksformen und auch wissenschaftliche Arbeit und Lehrtätigkeit miteinander verbinden und immer wieder neue Herausforderungen aufgreifen kann. Zuletzt erschien ihr Kinderbuch Kirschendiebe oder als der Krieg vorbei war sowie Divertimento: Kirschendiebe, eine Lesung aus dem Buch in Zusammenarbeit mit den Bremer Philharmonikern auf CD.
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