Privilegien-Test: Mir wird gesagt, dass ich darüber schreiben soll, was es heißt, weiß in der Gesellschaft zu sein, in der ich lebe.
Privlegien-Test zwei: Mir wird gesagt, dass ich etwas Bestimmtes schreiben soll, weil ich weiß bin.
Privilegien-Test drei: Ich kann nicht anders, als über mein weiß-Sein zu schreiben, um meine Zugehörigkeit zu befragen.
Diese absurd klingenden Prompts stellen die Realität vieler Autor*innen of Colour dar – das verkompliziert das Schreiben enorm. Soll ich, wie mir schon so oft geraten wurde, Gold aus meiner Scheiße machen, indem ich das Kanake-Sein ausschlachte? Oder schaffe ich es fern von Identität und Repräsentation zu denken, zu schreiben und aufzutreten?
Inzwischen weiß ich, so schwarzweiß wie diese Fragen kann ich dem Schreiben nicht begegnen. Wenn es um meine Texte geht, gibt es zu viele Variablen, zum Beispiel welche Leser*innenschaft ich mir vorstelle. Lange verstand ich das Schreiben als Kommunikationstool mit der Mehrheitsgesellschaft, denn auch mir wurde beigebracht, dass meine Kanaks nicht lesen und ich eine Ausnahme sei – özür dilerim ciğerlerim. So ist mir lange Zeit verborgen geblieben, welche Kraft darin liegt, von der Gesellschaft der Vielen zu schreiben. Sie ist ein Bekenntnis dazu, dass unsere Gesellschaft radikal divers ist und es einen Mehrwert mitbringt, wenn wir uns gegenseitig kennenlernen.
Vor gut zehn Jahren saß ich im Sprachkunst-Studium, wo viele mich für einen Rapper hielten, in einem Seminar zusammen mit Luca Kieser. Und zum ersten Mal las jemand einen Text vor, in dem muslimische Namen vorkamen. Das weckte meine Neugier. Hätte ich damals gedacht: Was schreibt der weiße Typ von muslimischen Jugendlichen?, wäre PINK ELEPHANT mit Sicherheit nie in dieser Form erschienen. Der Roman erzählt zwei Geschichten: zwischen den Buchdeckeln eine literarische und dann noch eine, in der ein weißer Autor seine Rolle in dieser Gesellschaft der Vielen reflektiert hat. Das schlägt sich in Form einer sorgfältigen Architektur des Textes nieder. Als jemand, dessen Identität immer im Vordergrund steht, wünsche ich ihm deshalb, dass man sich mehr mit der ersten Geschichte auseinandersetzt.
Muhammet Ali Baş
studierte Sprachkunst und Ausstellungstheorie und -praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien. Er arbeitet als Kurator und Kulturvermittler an der Schnittstelle von Literatur, Museum und Community-Projekten, unter anderem für das Weltmuseum Wien und die Tangente St. Pölten. 2017 war er nominiert für den Peter-Turrini-Dramatiker*innenpreis, 2020 erhielt er den Förderpreis für Kunst des Landes Vorarlberg. Sein Stück Der Kalif wird uns die Stirne küssen. Eine Dschihadistenkomödie wird vom Thomas Sessler Verlag vertreten.
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