Manchmal fühlen wir uns sprachlos – und oft ist es dann die Kunst, die uns hilft, die richtigen Worte zu finden. Oder der es gelingt, mit Hilfe der Sprache unsere Gefühle herauszukitzeln. Aktuell wird das in Bremen ganz deutlich: Gleich mehrere Ausstellungen beschäftigen sich mit der Schrift und Wörtern.
Was macht das Wort in der Kunst?
Viele Künstler*innen ziehen Wörter und Sprache aus ihrem eigentlichen Kontext heraus, um sie in Kunst zu verwandeln. So zum Beispiel Rimadaum, die mit dem 47. Bremer Förderpreis für Bildende Kunst ausgezeichnet wurde. In AW: AW: [EXTERN]-Re: AW: [EXTERN]-Fwd: Frage zum Aufenthalt arbeitet sie sich an der Sprache in Schreiben des Migrationsamtes ab. Einzelne Wörter und Satzteile aus ihrem Mailverkehr zur Sicherung ihres Aufenthaltsrechts in Deutschland stehen isoliert für Rimadaums konkreten Fall, weisen aber darüber hinaus auf die Bürokratie eines so existenziellen Vorgangs hin. In einem Aktenordner alphabetisch sortiert findet man zum Beispiel unter B eine Anhäufung des Wortes „bitte“, unter U die Bemerkung „unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet“ und unter S „Sehr geehrte Frau Rima“. Zu sehen ist das noch bis zum 5. Mai in der Städtischen Galerie.
Michaela Melián arbeitet an der Mehrdeutigkeit der Sprache. Sie zeigt in der Weserburg eine Soundinstallation zum Wort aufheben (2012) und seine verschiedenen Bedeutungen: etwas abschaffen, etwas aufsammeln, etwas behalten. Drei unterschiedliche Ebenen, die verdeutlichen, wie sich unterschiedliche Sichtweisen begegnen können und wie wir so neue Perspektiven gewinnen können. Erinnerungen beispielsweise bewegen sich zwischen den Polen Ablehnung und Bewahren. Wo sie sich begegnen, kann auch Neues entstehen. Insgesamt sind 66 Sprecher*innen und 32 verschiedene Sprachen zu hören. Zu erleben ist die Soundinstallation bis 30. August im Hans Otte. Klanghaus unter dem Dach der Weserburg, aber auch für alle Passant*innen im Tunnel vor dem Eingang. Aufgepasst: Hier musst du durch ein kleines Loch lauschen!
Das, was fehlt
Manchmal glänzen Worte aber auch durch ihre Abwesenheit: Hae Kim zum Beispiel schleift seit 10 Jahren Bücher ab, so dass sie hinterher als leeres Objekt zurückbleiben – alle Worte sind dann mit der obersten Papierschicht entfernt. Aus dem Staub entstehen zum Beispiel Wortstempel. Für jeden Tag erstellt Hae Kim einen Stempel, der die Essenz seines Tagebucheintrags zusammenfasst. Das zeigt nicht nur, wie kulturelles Wissen verloren gehen kann, sondern auch welchen Stellenwert Schrift und Sprache für unsere Gesellschaft eigentlich haben. Auch sein Werk ist in der aktuellen Förderpreisausstellung in der Städtischen Galerie zu sehen.
Um Abwesenheiten geht es auch in einer weiteren Ausstellung: Sabine van Lessen geht in Leise-radikal im Gerhard-Marcks-Haus an die Grenze des Sehens und lädt die Besucher*innen zur Imagination ein. Das Buch „Die Fotografiererin“, das hier ausgestellt wird, präsentiert Kurzgeschichten und kleine Episoden rund um das Fotografieren und das Sehen, die sich zu einem Ganzen fügen. Das Gelesene lässt bei den Lesenden eine „unsichtbare Ausstellung“ zurück: „Das Buch ein Objekt, das Lesen als soziale Praktik. Skulpturale Poesie in Wort und Bild.“
Buchkunst
Buchkunstwerke kennst du natürlich zum Beispiel aus dem Zine-Bereich schon längst. Einen anderen Ansatz verfolgt dabei Künstlerin Kira Keune, die in ihrer Arbeit das Digitale mit dem realen Buch verbindet. Welche Webseiten hast du in den letzten sieben Monaten besucht? Was wäre, wenn man daraus ein Buch machen würde, das jede*r lesen könnte? Genau das hat Kira Keune in ihrem Werk www.mydiary.com getan. In der Städtischen Galerie zeigt sie sieben Bücher, in denen du ihre Browserverläufe von Juni bis Dezember 2023 nachlesen kannst.
Du siehst schon, es gibt viel zu entdecken! Stöbere doch durch die verschiedenen Ausstellungen - oder mach gleich deine eigene Schrift-Kunst.
Zur Förderpreis-Ausstellung in der Städtischen Galerie
Zu aufheben in der Weserburg
Zu Leise-radikal im Gerhard-Marcks-Haus