Eine renommierte Agentur, ein bekannter Verlag, tolle Presse, Auftritte in den Medien und auf der Buchmesse: Wenn Bremer Autor*innen mit ihren Romanen den Buchmarkt erobern, freuen wir uns natürlich besonders. Gerade ist das bei der Autor*innenstipendiatin 2021 Ursel Bäumer der Fall. Im Interview verrät sie dir mehr über ihren Weg zur Veröffentlichung, die Resonanz auf ihren Roman Louise und neue Projekte.
Liebe Ursel, für dein Manuskript Maman wurdest du 2021 mit dem Bremer Autor*innenstipendium ausgezeichnet. Was hat das für die Arbeit am Text bedeutet?
Der Effekt war überwältigend. Das Stipendium hat dem Projekt tatsächlich den entscheidenden Impuls gegeben und mir im wahrsten Sinne alle Türen geöffnet. Ich bin deshalb der Stadt Bremen, hier speziell dem Senator für Kultur und dem Bremer Literaturkontor sehr dankbar. Zum einen, weil es eine tolle Wertschätzung meiner Arbeit ist von einer kompetenten Jury ausgezeichnet zu werden. Zum anderen auch durch die Art des Stipendiums, das nicht nur aus einem Geldpreis besteht, der im Zuge der Bewerbung Bremens als City of Literature auf 5000 Euro aufgestockt wurde, sondern auch einen 6-monatigen Arbeitsaufenthalt in der Bremer Landesvertretung beinhaltet, der tatsächlich vieles für mich in Gang gesetzt hat. Die Möglichkeiten, die ich Berlin hatte, haben entscheidend dazu beigetragen, dass ich das Romanprojekt beendet habe und von der renommierten Berliner Literaturagentur Graf & Graf unter Vertrag genommen wurde.
Im Oktober bist du auch in der Reihe Werkstattgespräche zu Gast und sprichst mit Kurt Drawert, einem anderen Autor, der mit dem Stipendium ausgezeichnet wurde. Was bedeutet dir der Austausch mit anderen Schreibenden im konkreten Fall, aber auch allgemein?
Ich finde diese vom Literaturkontor initiierte Reihe ganz wunderbar, in der ehemalige Bremer und aktuell in Bremen lebende Autor*innen, die das Bremer Autor*nnenstipendium bekommen haben, sich austauschen und ihre Erfahrungen an Leser*innen und Autor*innen weitergeben können. Ich bin sehr gespannt auf die Begegnung mit Kurt Drawert, einem vielfach ausgezeichneten, sehr interessanten Autor, und freue mich auf das Gespräch. Gleichzeitig sehe ich hier auch eine Chance, dass sich Bremen über solche Veranstaltungen noch stärker mit der Literaturszene anderer Städte vernetzt.
Im Roman geht es um die Künstlerin Louise Bourgeois, ihr Heranwachsen unter schwierigen familiären Bedingungen und die Verflechtungen zu ihrem Werk. Hat die Künstlerin dich schon immer fasziniert oder wie bist du auf das Thema gekommen?
Ganz konkret, wie es häufig in meinen Büchern passiert, bin ich durch ein Ereignis zu diesem Thema gekommen. In diesem Fall war es eine Ausstellung in Hamburg. Dort sah ich unter anderem zum ersten Mal die berühmte neun Meter hohe Spinnenskulptur MAMAN. Ich war gleichermaßen fasziniert und verstört von Louise Bourgeois`Werk, das sehr dramatisch, rätselhaft, ja magisch auf mich wirkte. Ich wollte unbedingt mehr über diese Person und ihre Arbeiten wissen, fing an über sie zu lesen, Ausstellungen zu besuchen, und so entstand allmählich die Idee für ein Romanprojekt, mit dem ich mich an der Cité Internationale des Arts in Paris bewarb. Ich bekam ein zweimonatiges Aufenthaltsstipendium, recherchierte in Paris und Umgebung, den Orten, an denen Louise Bourgeois aufwuchs, fuhr nach Aubusson in Zentralfrankreich, wo ihre Großmutter lebte und Louise die Kriegsjahre verbrachte. So kam alles in Gang.
Aus Maman wurde schließlich Louise, vielleicht eine Art Perspektivwechsel von der Mutter, um die Louises Denken und Leben oft kreist, auf die Protagonistin selbst. Wie kam es eigentlich zur Namensänderung?
Ja, vielleicht durch eine Art Perspektivwechsel, um den Fokus mehr auf die Hauptfigur zu legen, die junge unbekannte Louise aus Paris, die erst als 26-Jährige nach Amerika auswanderte und dort zur berühmten Bildhauerin wurde, übrigens sehr spät mit 70 Jahren. Die Namensänderung hatte aber auch pragmatische Gründe, weil im Frühjahr ein Roman mit dem Titel Maman auf den Buchmarkt kam.
Jetzt ist Louise erschienen und mit dem Roman bist du diesen Oktober auch auf der Frankfurter Buchmesse, was ja nicht so vielen Bremer Autor*innen vergönnt ist. Worauf freust du dich besonders?
Ich freue mich auf den Austausch mit Mitarbeiter*innen des Verlags, die ich bereits kenne und die ich kennenlernen werde, auf Gespräche mit Verleger*innen, Leser*innen und anderen Autor*innen. Ich freue mich darauf, in Büchern zu stöbern und das Treiben auf so einer Messe als Autorin zu erleben. Ich freue mich auf Lesungen und Interviews. Katrin Krämer von Radio Bremen 2 wird z.B. auf der Messe ein Interview mit mir machen. Und natürlich bin ich sehr gespannt darauf, welche Rückmeldungen ich zu meinem Roman bekomme.
Im Schweizer Literaturclub wird Elke Heidenreich Louise im Oktober ebenfalls vorstellen. Was bedeutet es für dich, dass der Roman so gut aufgenommen wird?
Nachdem ich an diesem Roman so lange im Verborgenen geschrieben habe, ist es wirklich unglaublich, diese Anerkennung in der Öffentlichkeit zu erfahren. Die Arbeit an LOUISE hat mir Spaß gemacht und natürlich habe ich mir, als das Manuskript fertig war, gewünscht, dass es in einem schönen Verlag unterkommt und gelesen wird, obwohl ich an diesen Aspekt beim Schreiben allgemein erstmal nicht denke. Wenn der Text aber auf eine solche Zustimmung stößt, freue ich mich umso mehr.
Die Verlagssuche ist für viele Autor*innen schwierig. Du bist mit Louise bei Nagel und Kimche gelandet, eben hast du schon kurz erzählt, dass der Berlin-Aufenthalt dir dabei geholfen hat. Wie bist du vorgegangen – und hast du Tipps für andere Bremer Autor*innen?
Ich habe mich mit dem fertigen Manuskript bei der Berliner Literaturagentur Graf & Graf beworben, wurde gleich unter Vertrag genommen und wenig später an den schönen Verlag Nagel & Kimche vermittelt. Ich glaube, dass dieser Weg zurzeit der Vielversprechendste ist. Natürlich kann man immer auch Glück haben, aber unverlangt eingeschickte Manuskripte werden von den größeren Verlagen selten berücksichtigt. Vielleicht war das vor Jahren noch anders. Auszeichnungen, Preise, Stipendien in der Biografie sind sicher auch von Vorteil, wenn man sich bei einer Agentur bewirbt.
Wie geht es für dich nach dem Trubel um Louise weiter? Gibt es schon neue Pläne?
Ich arbeite zurzeit an einem neuen Romanprojekt. Aber das ist noch in dem Stadium, in dem ich im Dunkeln schreibe und der Text sich verflüchtigt, sobald ich versuche, ihn ans Licht zu zerren. Deshalb sage ich nichts weiter dazu. Nur: Ja, es gibt neue Pläne.
Ursel Bäumer
wurde in Münster geboren und studierte Germanistik und Kulturwissenschaft in Münster und Bremen. Nach dem 1. und 2. Staatsexamen war sie zunächst als Gymnasiallehrerin in Bremen tätig und entschied sich dann für ein Leben als freie Schriftstellerin. Sie gründete 2005 den gemeinnützigen Verein workshop literatur e.V., der literarische Veranstaltungen für Bremer Oberstufenschüler*innen organisierte und den sie bis 2014 als Vorsitzende leitete. Ursel Bäumer schreibt Romane, Erzählungen und Kurzprosa. 2011 erschien ihr erster Roman Zeit der Habichte im Dörlemann Verlag. Sie wurde für ihre schriftstellerische Arbeit mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2021 mit dem Projektstipendium der Freien Hansestadt Bremen für das Schreibprojekt MAMAN, das sie 2022 als Writer in Residence in der Bremer Landesvertretung in Berlin erfolgreich vollendete.
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