Sujata Bhatt
ist wohl Bremens international bekannteste Lyrikerin. Geboren in Ahmedabad, ist sie in Indien und den USA aufgewachsen. Ihre Lyrik wurde vielfach ausgezeichnet und in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Im Literaturmagazin verrät sie mehr über ihr Schreiben, ihre Beziehung zur Poesie und ihre Heimat(en).
Was bedeutet Poesie für Sie?
Für mich ist Poesie ein essentielles Lebensmittel. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne meinen täglichen Umgang mit Gedichten zu leben, ob ich nun welche lese oder gerade eines schreibe.
Was kann Poesie bewirken?
Gedichte können den Blick auf die Welt verändern. Oder, wie mein Dichterfreund Anton G. Leitner sagt: Ein gutes Gedicht rettet den Tag.
Wie sind Sie eigentlich zum Schreiben gekommen?
Schon als ich sieben Jahre alt war, habe ich Gedichte gelesen und darauf mit eigenen Gedichten geantwortet. Und damit habe ich nie aufgehört.
Sie stammen aus Indien, schreiben Ihre Gedichte aber nicht in Ihrer Muttersprache, sondern auf Englisch. Wie fühlt es sich an, „zwei Zungen im Mund“ zu haben?
Meine Muttersprache ist Gujarati, das ist die Sprache Gandhis, die wir auch in der Familie gesprochen haben. Als ich klein war, hat meine Familie für eine Weile in New Orleans gelebt. Da war ich im Kindergarten und in der Grundschule. Und das amerikanische Englisch war Unterrichtssprache. Und als wir wieder in Indien lebten, habe ich eine englischsprachige Schule besucht. Mit zwölf war ich dann wieder in den USA und Englisch ist meine Hauptsprache geblieben, in der ich arbeite. Schule und Studium habe ich dann komplett in den USA absolviert. Was die „zwei Zungen im Mund“ angeht – das ist ja das große Thema in meinem Langgedicht Search for my Tongue. Es ist noch nicht ins Deutsche, wohl aber ins Italienische und Spanische übersetzt worden und es gibt unglaublich viele Reaktionen darauf, vor allem von jugendlichen Migranten in Großbritannien. Allein auf YouTube gibt es unendlich viele Videos dazu und auch eine BBC-Verfilmung von Teilen des Gedichts.
Und was bedeutet das für Ihr Schreiben?
Wie gesagt: Englisch ist meine Arbeitssprache. Aber Gujarati taucht auch gelegentlich auf in einigen wenigen meiner Gedichte. Und ich habe Gedichte anderer Autorinnen aus dem Gujarati ins Englische übersetzt.
Heimat ist ein wichtiges Thema in Ihren Gedichten. Können Sie eine Heimat benennen? Und welche Rolle spielt Bremen für Sie?
Ich kenne das Wort Heimat im Plural. Indien und die USA sind meine Heimaten und Bremen ist irgendwann auch noch dazugekommen. Hier ist meine Tochter geboren und aufgewachsen, hier lebe ich mit meinem Mann, der ja der Grund dafür ist, dass ich in dieses Land und in diese Stadt gekommen bin, hier habe ich gute Freunde und hier schreibe ich meine Gedichte, die von der ganzen Welt, aber manchmal auch von Bremen handeln. Das kann man ja auch gut nachlesen in meinen Büchern. Jetzt erfreulicherweise mal wieder auf Deutsch in dem Band Die Stinkrose, der 2020 bei Hanser erschienen ist in der Übersetzung von Jan Wagner.